„Ich wollte auf keinen Fall an die Dialyse“
Kurz vor dem Tag der Organspende am 4. Juni 2022 bekam Ariella Eger eine Niere ihrer 70-jährigen Mutter transplantiert
In hohem Alter schenkt eine Mutter ihrer Tochter zum zweiten Mal das Leben: Wenige Tage vor ihrem 71. Geburtstag spendete Eveline Eger-Engelhardt eine ihrer beiden Nieren ihrer Tochter Ariella. Die 50-Jährige leidet seit vielen Jahren an schnell wachsenden Zystennieren. Da jetzt das völlige Funktionsversagen ihrer Organe drohte, wurde ihr im Transplantationszentrum Erlangen-Nürnberg (Sprecher: Prof. Dr. Michael Weyand) am Universitätsklinikum Erlangen erfolgreich eine Niere ihrer Mutter implantiert. „Zum Tag der Organspende am Samstag, 4. Juni 2022, danken wir allen Organspenderinnen und -spendern herzlich dafür, dass sie schwer kranken Menschen ein neues Leben schenken“, erklärt Dr. Katharina Heller, Leiterin der Geschäftsstelle des Transplantationszentrums Erlangen-Nürnberg. „Weil derzeit immer noch viel zu wenige Transplantate zur Verfügung stehen, möchten wir an diesem Tag verstärkt dazu aufrufen, sich für einen Organspendeausweis oder eine Lebendspende zu entscheiden.“ Den beiden Patientinnen gehe es bereits wenige Tage nach dem mehrstündigen Eingriff gut, bestätigt die Oberärztin, „obwohl Mutter und Tochter keine übereinstimmenden Blutgruppen haben.“ Deshalb musste das Blut von Ariella Eger vor der Transplantation noch von Antikörpern gereinigt werden, um zu verhindern, dass ihr Körper die Niere ihrer Mutter abstößt. „Mit einem kombinierten Verfahren aus Medikamenten und Blutwäsche haben wir seit 2006 bereits 74 Lebendnierenspenden trotz bestehender Blutgruppeninkompatibilität erfolgreich transplantieren können. In interdisziplinären Zentren, die die entsprechende Erfahrung und Kompetenz mitbringen, stellt dieser Aspekt heute kein Risiko mehr für das Überleben des transplantierten Organs dar“, berichtet Katharina Heller.
Das Gesicht hager und eingefallen, die Haare stumpf und farblos – das Foto, das Ariella Eger von sich auf dem Handy aufruft, zeigt sie bei ihrer Aufnahme im Uni-Klinikum Erlangen kurz vor der Transplantation. Beim Interview – drei Tage nach dem Eingriff – hat die 50-Jährige mit der schwer kranken Frau auf dem Bild nichts mehr gemein: „Jetzt bin ich endlich wieder schön“, strahlt sie, und Oberärztin Dr. Heller ergänzt: „Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell sich ihr Körper dank der transplantierten Niere erholen konnte.“
Diagnose ereilte sie als 18-Jährige
Seit mehr als 30 Jahren lebt Ariella Eger mit der Diagnose Autosomal-Dominante Polyzystische Nierenerkrankung (ADPKD), eine genetisch vererbte chronische Erkrankung, in deren Verlauf sich in den Nieren mit Flüssigkeit gefüllte Zysten bilden. Mit zunehmendem Wachstum schränken die Zysten die Nierenfunktion immer stärker ein, so dass es auch zum völligen Funktionsverlust kommen kann. In Deutschland leiden circa 80.000 Menschen an ADPKD, die weltweit zu den häufigsten genetischen Nierenerkrankungen gehört.
Organspende trotz hohem Alter möglich
„Ich habe gelernt, mit der Krankheit zu leben. Aber die bevorstehende Dialyse war für mich der blanke Horror“, berichtet Ariella Eger, deren Nierenfunktion in den vergangenen zwei Jahren rapide abgenommen hatte. „Es mag Menschen geben, die sich damit einrichten können. Aber ich habe bereits bei meiner Oma erlebt, wie sehr die Dialyse ihre Lebensqualität und Lebensfreude einschränkte. Das wollte ich für mich auf keinen Fall.“ Obwohl sich auch zwei ihrer Cousins zur Lebendspende erboten, war es jetzt die 70-jährige Eveline Eger-Engelhardt, die ihrer Tochter eine ihrer Nieren spendete. „Das höhere Lebensalter ist für eine Organspende kein Problem“, bestätigt Dr. Heller. „Wichtige Voraussetzung ist, dass keine Vorerkrankungen vorliegen und die spendende Person über eine gute körperliche Konstitution verfügt. Unsere bislang älteste Lebendorganspenderin war sogar 82 Jahre alt.“
Schnell wieder auf den Beinen
Fit und voller Energie ist die rüstige Rentnerin aus Nürnberg in jedem Fall: Nach wie vor arbeitet Eveline Eger-Engelhardt einen Tag pro Woche im Büro ihres früheren Betriebs und engagiert sich zusätzlich ehrenamtlich für eine Tafel und eine Kleiderkammer. „Ich hätte ja nie gedacht, dass meine alten Organe noch zu etwas Nutze sind“, erklärt die 70-Jährige augenzwinkernd. „Aber sie lassen sich alle noch verwerten, und für mich geht das Leben jetzt weiter wie vorher.“ Bereits am dritten Tag nach dem minimalinvasiven Eingriff konnten Mutter und Tochter gemeinsam über den Krankenhausflur spazieren. Während die Organspenderin das Uni-Klinikum Erlangen nur eine Woche nach der Operation wieder verlassen kann, bleibt ihre Tochter noch so lange unter Beobachtung, bis sich alle Werte und Funktionen des transplantierten Organs stabilisiert haben. „Danach ist eine gemeinsame Reha-Maßnahme geplant“, kündigt Katharina Heller an. „Die beiden Frauen werden vom Team unseres Transplantationszentrums lebenslang mittels einer umfassenden Nachsorge begleitet.“
Transplantationszentrum Erlangen-Nürnberg
Mit der Lebendspende einer Niere, die ein Vater seinem Sohn überließ, begann das Uni-Klinikum Erlangen 1966 als erste bayerische und als dritte deutsche Einrichtung sein Transplantationsprogramm, beruhend auf der engen Kooperation zwischen der Medizinischen Klinik 4 – Nephrologie und Hypertensiologie (Direktor: Prof. Dr. Mario Schiffer) und der Urologischen und Kinderurologischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Bernd Wullich). Seither wurden unter dem Dach des interdisziplinären Transplantationszentrums Erlangen-Nürnberg über 4.500 Organtransplantationen vorgenommen, jährlich kommen durchschnittlich 80 weitere hinzu.
Weitere Informationen:
Dr. Katharina Heller