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Im Kampf gegen das Maßband

Im Kampf gegen das Maßband

Lymph- und Lipödeme verändern das gesamte Leben der Erkrankten – Lymphselbsthilfetag am 18. März 2017

Heute kann Susanne Helmbrecht wieder lachen. Seit acht Jahren hat sie ihre Krankheit, ein Lymphödem, verstanden und kann nun trotz eines Alltags der völlig der Therapie gewidmet ist, ihr Leben wieder genießen. Das war nicht immer so: 2004 wurden ihr aufgrund einer Krebserkrankung insgesamt 29 Lymphknoten entfernt. Gleich hinterher merkte sie: "Da stimmt irgendetwas nicht". Innerhalb weniger Wochen begann ihr linkes Bein anzuschwellen. In den kommenden Monaten nahm Susanne Helmbrecht insgesamt 15 Kilogramm zu – das Gewicht stammte beinahe nur vom betroffenen Bein. "Alle meine Hosen habe ich wegwerfen müssen, passte in meine Schuhe nicht mehr hinein. Ich fühlte mich schlichtweg entstellt und hilflos", erinnert sie sich. Schließlich wurde sie selbst aktiv und informierte sich über konservative Behandlungsmethoden. Fünf Jahre hat es gedauert, bis sie sagen konnte: "Ich habe mein Lymphödem im Griff".

Das Leiden im Griff zu haben, heißt noch nicht, es los zu sein. Der Auslöser sind die fehlenden Lymphknoten. Dagegen gibt es keine Medizin, die das Problem für immer aus der Welt schafft. Betroffene, die rund ein bis zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, erhalten Hilfe bei lokalen Selbsthilfegruppen wie Lymphselbsthilfe e. V. oder in der Plastisch- und Handchirurgischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. Raymund E. Horch) des Universitätsklinikums Erlangen. Oberärztin Dr. Anja M. Boos kennt das Leiden der Betroffenen und seine Ursachen: "Das Lymphgefäßsystem sorgt für den Abtransport der als Lymphe bezeichneten zähen Gewebeflüssigkeit aus dem Interzellularraum in den Blutkreislauf. Täglich werden so rund zwei Liter Lymphflüssigkeit transportiert. Die Lymphknoten sind ein funktionaler Teil dieser Arbeit: Sie fangen und bekämpfen Fremdstoffe und Erreger aus der Lymphe, bevor der Blutkreislauf erreicht wird."

Wenn nicht bereits angeborene Schäden am Lymphgefäßsystem vorliegen, so entstehen die meisten Probleme im Zuge von Krebstherapien. Da sich Krebszellen auch in Lymphknoten einnisten, werden diese in vielen Fällen entweder aggressiv bestrahlt oder ganz entnommen. Dies war auch der Fall bei Susanne Helmbrecht. Durch das Fehlen einzelner Bestandteile kann das ganze System nicht mehr in vollem Umfang arbeiten und es kommt zum Lymphstau, zum Beispiel in einem Bein. Behandlungen - ob konservativ oder operativ - zielen dann darauf ab, den Abtransport der Gewebeflüssigkeit wieder herzustellen oder manuell zu unterstützen.

Ein eisernes Programm

Das Schlüsselwort, vor allem bei der konservativen Therapie, ist Disziplin. "Die gute Nachricht ist, dass man die Schwellungen reduzieren kann - egal wie weit fortgeschritten die Krankheit ist. Es ist nie zu spät und ein Anfang lohnt sich immer", betont Susanne Helmbrecht, die mittlerweile eine Selbsthilfegruppe in Erlangen aufgebaut hat und den Bundesverband Lymphselbsthilfe e. V. leitet. "Das Wichtigste sind die fünf Therapiesäulen: die manuelle Lymphdrainage, die Kompressionstherapie mithilfe von Strümpfen und Bandagen, die Hautpflege, aktivierende Bewegung und das Selbstmanagement." Das Maßband ist für Erkrankte im wahrsten Sinne des Wortes das Maß aller Dinge, denn an ihm lassen sich Fort- und Rückschritte unübersehbar ablesen - es geht um jeden Zentimeter. "Es ist schon ein großer Erfolg, wenn sich der aktuelle Zustand nicht weiter verschlimmert. Jeder Zentimeter weniger ist dagegen ein richtiges Fest." Dafür hat sich Susanne Helmbrecht ein eisernes Programm auferlegt, das dem Zeitaufwand eines Halbtagsjobs gleicht. "Bevor ich morgens aus dem Bett steige, ziehe ich zuallererst meine Kompressionsstrümpfe an. Vergesse ich die, habe ich direkt einen Zentimeter mehr in den Beinen, weil die schlichtweg volllaufen. Das heißt, ein einziger Fehler bedeutet mühsame Arbeit, um ihn wieder rückgängig zu machen. Viermal in der Woche gehe ich zur Lymphdrainage - die dauert jeweils eine Stunde. Nebenbei muss ich auf regelmäßige Bewegung achten und zusätzlich Fitnesskurse für meinen beanspruchten Rücken besuchen." Sie seufzt. "Es ist eine Daueraufgabe. Aber lieber mache ich all das, als je wieder in den Zustand zu kommen, in dem ich einmal war."

Hilfe auch durch operative Therapie

Da diese konservative Therapie aufgrund des Zeitaufwands eine erhebliche Belastung darstellt, entscheiden sich Lymphödem-Patienten zunehmend für operative Lösungen. "In der plastischen Chirurgie gibt es die Möglichkeit, das beschädigte Ableitsystem durch transplantierte Lymphknoten oder -gefäße sowie durch eine künstliche Verbindung zum Blutkreislauf wiederherzustellen", erklärt Dr. Boos. "Auch Patienten, die an Lipödemen also einem Fettstau in Armen und Beinen leiden, können wir fallabhängig weiterhelfen und ihre Therapie operativ unterstützen." Damit viele Extremfälle von Lymphödemen gar nicht erst entstehen, ist eine rechtzeitige Aufklärung gefragt. "Unser Ziel ist es, frisch Operierte anzuleiten, auf ihren Körper zu achten und Symptome einer möglichen Lymphgefäßsystemstörung schnell zu erkennen. Dann können sie sich frühzeitig in unserer Lymph- und Lipödem-Sprechstunde in der Plastischen Chirurgie des Uni-Klinikums Erlangen anmelden oder sich an eine Selbsthilfegruppe wenden."

Aufklärung ist das A und O - Einladung zum Lymphselbsthilfetag

Am Samstag, 18. März 2017, findet am Uni-Klinikum Erlangen der 3. deutsche Lymphselbsthilfetag statt. Von der Lymphselbsthilfe e. V. ausgerichtet und durch die Erlanger Plastische Chirurgie unterstützt, haben Besucher aus ganz Deutschland von 9.00 bis 17.00 Uhr die Möglichkeit, sich in Vorträgen und Workshops über Neuigkeiten aus der Lymphologie zu informieren sowie mit Vertretern der Selbsthilfegruppe und Ärzten in Kontakt zu treten. Die Veranstaltung findet in den Hörsälen Medizin, Ulmenweg 18, in Erlangen, statt. Eine Anmeldung ist noch vor Ort möglich oder unter: www.lymphselbsthilfe.de.

Weitere Informationen:

Dr. Anja M. Boos
Telefon: 09131 85-33296
E-Mail: anja.boos(at)uk-erlangen.de