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Wenn Blutdruckmedikamente nicht reichen: Verödung von Nierennerven

Wenn Blutdruckmedikamente nicht reichen: Verödung von Nierennerven

Uniklinikum Erlangen als Zentrum für Renale Denervation zertifiziert – Therapie jetzt in Erlangen Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung

Die Ablation (Verödung) der Nierennerven – auch Renale Denervation (RDN) genannt – ist eine neue Therapieoption für Menschen, deren Bluthochdruck unkontrollierbar und resistent gegenüber Medikamenten ist. Auch für Patientinnen und Patienten, die aus verschiedenen Gründen keine Blutdrucksenker vertragen, kommt die RDN infrage. Das Uniklinikum Erlangen wurde nun als eine der ersten Einrichtungen bundesweit als Zentrum für Renale Denervation zertifiziert.

Wirksamkeit und Sicherheit der RDN für bestimmte Patientinnen und Patienten wurden in den vergangenen zehn Jahren mit immer mehr Daten wissenschaftlich untermauert. „Wir können die Therapie Menschen mit arterieller Hypertonie als alternative oder zusätzliche Option anbieten, um kardiovaskuläre Komplikationen zu vermeiden“, erklärt Prof. Dr. Roland Schmieder, Oberarzt der Medizinischen Klinik 4 – Nephrologie und Hypertensiologie (Direktor: Prof. Dr. Mario Schiffer) des Uniklinikums Erlangen und Leiter der hiesigen Klinischen Forschungsstation für Hypertonie und Gefäßmedizin.

Um die RDN kontrolliert und unter höchsten Qualitätsstandards umzusetzen, haben die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V., die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie e. V. und die Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention – Deutsche Hochdruckliga e. V. eine Zertifizierung eingeführt. Das Uniklinikum Erlangen wurde jetzt zusammen mit vier weiteren deutschen Pilotzentren zertifiziert. „Damit können wir ab sofort allen geeigneten Patientinnen und Patienten mit unkontrollierbarem, therapieresistentem Bluthochdruck und Betroffenen mit Medikamenten-Unverträglichkeit die Renale Denervation als Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung anbieten“, freut sich Prof. Schmieder, der im Rahmen der Ablationstherapie mit dem Radiologischen Institut (Direktor: Prof. Dr. Michael Uder) und der Medizinischen Klinik 2 – Kardiologie und Angiologie (Direktor: Prof. Dr. Stephan Achenbach) des Uniklinikums Erlangen kooperiert.

Ein Frühstück aus Tabletten

Bei Markus Stöckel aus dem Landkreis Forchheim wurde die Nierennervenablation bereits durchgeführt. Er erhielt die Diagnose Hypertonie 2011. Damals ging er mit starken migräneartigen Kopfschmerzen zum Hausarzt, der Blutdruckhöchstwerte von 270/160 mmHg feststellte. „Ein Blutdruck für drei“, sagt Markus Stöckel. Jahrelang nahm der heute 48-Jährige zehn Blutdrucktabletten täglich ein. „Das war schon fast ein ganzes Frühstück“, kommentiert er. Doch die Medikamente wirkten nicht wie erhofft. Ein Internist schickte den Patienten 2019 schließlich ans Uniklinikum Erlangen, wo das Team um Prof. Schmieder die Hypertonie medikamentös auf 160/110 mmHg senkte. Weil aber bereits Werte über 140/90 mmHg als Bluthochdruck gelten, war Markus Stöckel noch immer nicht optimal eingestellt. „Die Ärzte haben mir deshalb vorgeschlagen, an einer Studie teilzunehmen. Ich habe gesagt: Ich mache alles, was hilft.“ Im Juni 2021 verödete Radiologe PD Dr. Axel Schmid in Zusammenarbeit mit Facharzt Dr. Dennis Kannenkeril von der Medizin 4 die Nierennerven von Markus Stöckel im Rahmen einer Blindstudie. Bei dieser Studienform wissen die Teilnehmenden vorher nicht, ob sie der Behandlungs- oder der Kontrollgruppe angehören, denn: Dieses Wissen könnte ihre Erwartungen und ihr Verhalten beeinflussen. „Ich habe erst im Dezember 2021 erfahren, dass die Ablation bei mir tatsächlich gemacht wurde“, berichtet Markus Stöckel. Zu diesem Zeitpunkt war sein Blutdruck um weitere 10 mmHg auf 150/100 mmHg gesunken. Der Eingriff zeigte Wirkung und diese hält noch immer an. „Ich nehme heute statt zehn nur noch drei Blutdrucktabletten. Die Werte haben sich mittlerweile bei circa 135/90 mmHg eingependelt.“ Dass er trotz aller Therapieerfolge als Hypertoniker auch auf seine Lebensweise achten muss, ist Markus Stöckel bewusst. „Neuerdings arbeite ich nur noch vier Tage die Woche, womit es mir sehr gut geht. Und ich habe jetzt auch meine Ernährung umgestellt – auf weniger Fleisch und mehr Gemüse. Ich habe schon elf Kilo abgenommen.“

Was passiert bei der Nierennervenablation?

Entlang der Nierenarterien verlaufen Nerven, die nicht nur für die Signalübertragung zwischen Nieren und Gehirn zuständig sind, sondern auch den Blutdruck regulieren. Bei der RDN wird die Aktivität dieser Nierennerven verringert. Dazu werden die entsprechenden Nervenstränge minimalinvasiv mit einem dünnen Katheter, der durch die Leiste eingeführt wird, verödet. An dessen Ende befindet sich ein kleines Instrument, das die Nervenbahnen mittels ultraschall- oder stromerzeugter Wärme durchtrennt. Voraussetzung für die Behandlung ist, dass der Blutdruck unkontrollierbar bzw. nach Ansicht der Hausärztin oder des Hausarztes nicht ausreichend gesenkt ist, also über 140/90 mmHg liegt – trotz regelmäßiger und korrekter Einnahme von drei Blutdruckmedikamenten, die vertragen werden. Eine heilbare Ursache für die Hypertonie muss zuvor ausgeschlossen worden sein.

Wirkt mindestens neun Jahre lang

Die weltgrößte Datenbank zur Renalen Denervation, die Global Symplicity Registry, umfasst die Daten von über 3.000 Patientinnen und Patienten. Eine Auswertung zeigt: Dank RDN kann der Blutdruck im Mittel um 14,8 mmHg gesenkt werden. Die Erlanger Daten bestätigen das: Hier liegt die Blutdrucksenkung bei den behandelten Patientinnen und Patienten im Mittel bei 14,7 mmHg. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie begleitend blutdrucksenkende Medikamente einnehmen oder nicht. Die Behandlung heilt eine Hypertonie nicht, kann aber die oft große Menge an Tabletten reduzieren. Eine Blutdrucksenkung kann sich innerhalb der ersten Monate nach dem Eingriff einstellen und ersten Erfahrungsberichten aus Deutschland und Australien zufolge mindestens neun Jahre lang anhalten. „Das sind ja gute Neuigkeiten“, freut sich Markus Stöckel. „Auch, dass es jetzt möglich ist, sich außerhalb von Studien behandeln zu lassen.“

Neue Forschung zu familiären Zystennieren

Die Verödung der Nierennerven könnte bald auch weiteren Patientinnen und Patienten helfen – etwa solchen, die unter Zystennieren leiden: Bei den Erkrankten, meist zwischen 20 und 55 Jahre alt, ist das paarige Organ mit vielen Zysten übersät. Vor allem in Mittelfranken tritt diese erblich bedingte Nierenerkrankung gehäuft auf. Bei den Betroffenen nimmt die Filterfunktion der Nieren Schritt für Schritt ab – anders als bei einzelnen Nierenzysten, die in der Regel harmlos sind. Zystennieren führen meist schicksalhaft zur Dialysepflicht oder gar zu einer Transplantation. Die RDN kann bei Zystennieren den Blutdruck, der auch bei diesen Erkrankten meist zu hoch ist, senken und so das Doppelorgan schützen. Ein neues Forschungsprojekt der Medizin 4 des Uniklinikums Erlangen will ab dem Frühjahr 2023 zudem evaluieren, ob dank RDN langfristig auch die Nierenfunktion erhalten werden kann. Weitere Informationen folgen in Kürze.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Roland Schmieder
09131 85-42951
crc.m4(at)uk-erlangen.de