Wenn Brustkrebsdiagnostik auf künstliche Intelligenz trifft
Erlanger Radiologe erhält mit Forschungskollege Förderpreis 2020 der Walther und Christine Richtzenhain-Stiftung
Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau: Rund 69.000 Patientinnen erhalten in Deutschland jedes Jahr die Diagnose Mammakarzinom. Wird der Krebs frühzeitig entdeckt, steigert das die Heilungschancen um ein Vielfaches. Die Diagnostik von Brustkrebs zu verbessern, ist daher das Ziel von PD Dr. Sebastian Bickelhaupt, Clinician Scientist und Oberarzt des Radiologischen Instituts (Direktor: Prof. Dr. Michael Uder) des Universitätsklinikums Erlangen, und Paul Jäger vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Die beiden Wissenschaftler passten die diffusionsgewichtete Magnetresonanztomografie (MRT) speziell für die Untersuchung der Brust an und kombinierten die Bildgebung mit intelligenten Verfahren zur Bildanalyse, um bösartige Veränderungen aufzuspüren. Die Methode könnte künftig dazu beitragen, die Notwendigkeit für Kontrollbiopsien nach einem auffälligen Mammografie-Befund zu reduzieren. Sebastian Bickelhaupt und Paul Jäger wurden für ihre herausragende Forschungsarbeit mit dem Richtzenhain-Preis 2020 ausgezeichnet, der mit insgesamt 10.000 Euro dotiert ist.
Jedes Jahr nehmen etwa 2,8 Millionen Frauen in Deutschland am Mammografie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs teil. Etwa jede zwanzigste Frau, die diese Untersuchung wahrnimmt, erhält einen auffälligen Befund. Erhärtet sich der Verdacht auf Krebs, schlagen Ärzte in der Regel vor, eine Gewebeprobe (Biopsie) zu entnehmen. Das betrifft jährlich über 30.000 Frauen, doch nur bei rund der Hälfte von ihnen zeigt die Gewebeuntersuchung, dass es sich tatsächlich um einen bösartigen Tumor handelt.
Die beiden Preisträger verfolgen das Ziel, das Gewebe der Brust durch nicht-invasive Verfahren und ohne den Körper mit Röntgenstrahlen oder Kontrastmitteln zu belasten, besser klinisch zu beurteilen und damit die Notwendigkeit für Biopsien zu reduzieren. Dazu haben sie die diffusionsgewichtete MRT für die Untersuchung der weiblichen Brust optimiert und mit computerbasierten Bildanalyseverfahren kombiniert. Bei der Diffusionsbildgebung werden die zufälligen Bewegungen der Wasserstoffprotonen im untersuchten Körperbereich sichtbar gemacht. „In bösartigen Tumoren kommt es häufig zu einem eng gepackten Konglomerat an Zellen, sodass die Wassermoleküle sich dort nur eingeschränkt bewegen können. Die Diffusionsbildgebung kann uns so dabei unterstützen, Auffälligkeiten besser zu charakterisieren, die in der Röntgenmammografie gefunden wurden“, erklärt Dr. Bickelhaupt.
Die Wissenschaftler konnten ihre Kombination aus MRT und quantitativen Bildanalyseverfahren am Deutschen Krebsforschungszentrum in einer Studie an über 200 Patientinnen entwickeln. Allen Probandinnen war es vor der Teilnahme an der Studie aufgrund einer auffälligen Mammografie empfohlen worden, eine Biopsie durchführen zu lassen. Vor der Probenentnahme wurde das Brustgewebe mit dem neu entwickelten Verfahren untersucht. Das Ergebnis: Die Zahl der falsch-positiven Befunde – und damit der unnötigen Biopsien – hätte durch die neue Methode um 70 Prozent gesenkt werden können.
„Auf dem langen Weg hin bis zur möglichen Anwendung dieses Verfahrens in der Klinik sind nun zunächst weitere, umfangreichere Studien notwendig“, betont Sebastian Bickelhaupt. „Um diesen Weg gehen zu können, haben wir eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Uni-Klinikum Erlangen und dem Deutschen Krebsforschungszentrum aufgebaut.“ Es konnten inzwischen zusätzliche Fördermittel der Else Kröner-Fresenius-Stiftung eingeworben werden, um die kombinierte Methode für die klinische Anwendung weiterzuentwickeln.
Walther und Christine Richtzenhain-Preis
Der Förderpreis der Walther und Christine Richtzenhain-Stiftung geht auf das gleichnamige Arztehepaar aus Darmstadt zurück. Dr. Walther Richtzenhain verstarb 1950 an Pankreaskrebs, seine Witwe Dr. Christine Richtzenhain stiftete einige Jahre vor ihrem eigenen Tod im Jahr 1975 den Walther und Christine Richtzenhain-Preis zum Andenken an ihren Mann. Die Stiftung fördert die Krebsforschung durch zwei Preise, die jährlich im Wechsel vergeben werden. Berücksichtigt wurden im Jahr 2020 wissenschaftliche Arbeiten aus Forschungseinrichtungen in Deutschland mit dem Schwerpunkt auf dem erfolgreichen Transfer von Forschungsergebnissen in eine mögliche klinische Anwendung. Im Folgejahr werden herausragende Dissertationen auf dem Gebiet der Krebsforschung ausgezeichnet, die an einer Forschungseinrichtung in Heidelberg bzw. an der Universität Heidelberg abgeschlossen wurden. Anfangs vergab die Universität Heidelberg den Richtzenhain-Preis, seit 1975 verleiht ihn das Deutsche Krebsforschungszentrum.
Weitere Informationen:
PD Dr. Sebastian Bickelhaupt
Telefon: 09131 85-26267
E-Mail: sebastian.bickelhaupt(at)uk-erlangen.de