Wie unsere Muskeln funktionieren
Erlanger Forschungsteam entschlüsselt die Mikrotubuli-Organisation in Muskeln
Muskeln spielen in mehreren Körperfunktionen eine essenzielle Rolle. Der Herzmuskel beispielsweise versorgt den Körper mit Sauerstoff und Nährstoffen; Skelettmuskeln erlauben es, unseren Körper aktiv zu bewegen. Sind Muskeln geschwächt, kann es zu verschiedenen Erkrankungen führen: Besonders gefährlich sind Herzerkrankungen, die zu den häufigsten Todesursachen gehören. Aber auch bei chronischen Erkrankungen, wie Krebs, ist Muskelschwäche ein schwerwiegendes Problem. Zu verstehen, wie sich unsere Muskeln bilden und funktionieren, ist essenziell, um neue Therapien entwickeln zu können. Medizinerinnen und Mediziner der Nephropathologischen Abteilung (Leiterin: Prof. Dr. Kerstin Amann) des Universitätsklinikums Erlangen haben nun einen neuen Mechanismus identifiziert, der die Muskelfunktion besser erklärt.
Muskelzellen besitzen eine Art Stützstruktur, das sogenannte Zytoskelett. Ein wichtiger Teil des Zytoskeletts sind Mikrotubuli, röhrenförmige Proteinkomplexe in den Zellen. Verändert sich deren Aufbau oder Funktion, führt das zu Muskelschwäche, im Fall des Herzmuskels somit zu einer Herzinsuffizienz. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuteten schon lange, dass Veränderungen der Mikrotubuli nach der Geburt ein Grund dafür sind, dass sich Herzmuskelzellen im Menschen nicht vermehren und damit nicht zur Regeneration von geschädigtem Herzmuskelgewebe, zum Beispiel nach einem Infarkt, beitragen können. Forschungen haben aber gezeigt, dass die Mikrotubuli so modifiziert werden können, dass sich die Kontraktionskraft der Muskeln verbessert – der Muskel also wieder stärker wird. Die Mikrotubuli bieten damit einen interessanten Ansatzpunkt für neue Therapien. Dafür muss aber erst verstanden werden, wie genau das Mikrotubuli-Netzwerk funktioniert.
Dr. Silvia Vergarajauregui und Dr. Robert Becker von der Arbeitsgruppe Experimentelle Nieren- und Kreislaufforschung um Prof. Dr. Felix Engel haben einen molekularen Mechanismus identifiziert, der die Ausbildung einer muskelspezifischen Mikrotubuli-Organisation kontrolliert. Robert Becker hat gezeigt, dass Myogenin, ein Regulator der Skelettmuskelentwicklung, die Bildung von sogenannten Mikrotubuli-Organisationszentren (MTOC) antreibt; dort entstehen die Mikrotubuli. Als Teil dieses Mechanismus wird das Protein AKAP6 benötigt. Fehlt AKAP6 in Skelettmuskelzellen ist die richtige Positionierung der Zellkerne gestört. Ein ähnliches Problem kann in einigen Arten von degenerativen Muskelerkrankungen (Muskeldystrophien) beobachtet werden.
In einer parallelen Studie zeigte Silvia Vergarajauregui, dass AKAP6 auch für die MTOC-Bildung und damit die Mikrotubuli in Herzmuskelzellen organisiert. Die Wissenschaftlerin fand heraus, dass AKAP6 als eine Art Gerüst für andere MTOC-Komponenten fungiert und gleichzeitig mit Bestandteilen der Zellkernhülle interagiert, um somit die MTOC-Bildung an der richtigen Stelle zu ermöglichen. Interessanterweise hat Dr. Vergarajauregui in Zusammenarbeit mit Dr. Ulrike Steffen von der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie (Direktor: Prof. Dr. med. univ. Georg Schett) des Uni-Klinikums Erlangen auch herausgefunden, dass Osteoklasten, also knochenabbauende Zellen, AKAP6 für die Ausbildung ihres MTOC und damit ihrer Funktion Knochen abzubauen benötigen.
Die Forscherinnen und Forscher hoffen, dass die gewonnenen Erkenntnisse zu einem besseren Verständnis von Muskelerkrankungen und Knochenabbau führen, als auch die Ursachen der Herzmuskelschwäche besser erklären.
Originalveröffentlichungen
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34605406/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33295871/
Quelle: uni | mediendienst | forschung Nr. 99/2021
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Felix Engel
Tel.: 09131 85-25699
E-Mail: felix.engel(at)uk-erlangen.de