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Winzige Wunderwerkzeuge

Winzige Wunderwerkzeuge

Wie Nanopartikel in der Medizin helfen könnten – Gesundheitsminister Holetschek zu Besuch im SEON

Dass winzige Partikel Großes bewirken können – davon hat sich Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek bei einem Besuch der Sektion für Experimentelle Onkologie und Nanomedizin (SEON) der Hals-Nasen-Ohren-Klinik – Kopf- und Halschirurgie (Prof. Dr. Dr. h. c. Heinrich Iro) des Uniklinikums Erlangen überzeugt. Die Forscherinnen und Forscher arbeiten daran, wie sich mit magnetischen Nanopartikeln Medikamente im Körper präzise transportieren oder Viren und Antikörper aufspüren lassen.

Der neueste Clou der Nanoforscherinnen und -forscher um SEON-Leiter Prof. Dr. Christoph Alexiou, der übrigens im Jahr 2009 der erste Professor für Nanomedizin deutschlandweit war, ist eine Methode, um innerhalb weniger Sekunden zuverlässig im Blut Antikörper gegen Viren oder Virusbestandteile selbst nachzuweisen. Das Forschungsteam – eine Zusammenarbeit zwischen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und Experimentalphysikerinnen und -physikern der Universität Würzburg – hat bereits sogar ein kompaktes Messgerät entwickelt, das sich leicht bedienen lässt und dadurch einen Einsatz für Kliniken und Praxen interessant macht.

Gesundheitsminister Holetschek sagte: „Wir sind auf innovative Forschung angewiesen, um den vielfältigen Herausforderungen auch neuer Erkrankungen entgegenzutreten. Die Nanomedizin ist ein Gebiet, das beeindruckende Möglichkeiten für Diagnostik und Therapie eröffnet, um dieses Ziel zu erreichen. Was hier bei SEON aufgebaut wurde, kann man mit Fug und Recht als zukunftsweisend bezeichnen. Besonders beeindruckt mich, dass mit Hochdruck daran gearbeitet wird, die neu entwickelten Methoden in die Klinik zu bringen und so für die Menschen verfügbar zu machen. Herzlichen Dank für diesen großartigen Einsatz!“

Moleküle huckepack nehmen

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des SEON nutzen magnetische Nanopartikel, an die entweder Antikörper, die das Immunsystem gegen Viren bildet, oder Antigene, also Eiweißfragmente, die Teil der Oberfläche eines Virus sind, binden. Nachdem beide – Antikörper und Antigene – sehr große Moleküle sind, bewegen sich die Partikel mit angedockten Molekülen in einem oszillierenden Magnetfeld anders als diejenigen ohne Molekül-Passagier: Sie sind langsamer. Diese langsamer gewordenen Teilchen lassen sich mithilfe eines Magnetpartikelspektroskops sehr genau nachweisen – eben weil die Nanopartikel, die Moleküle huckepack genommen haben, magnetisch sind und das Spektroskop ihr verändertes Bewegungsmuster dadurch überhaupt erst aufspüren kann.

Das Ergebnis ist ein Test auf Antikörper bzw. Antigene, der so genau wie bisherige Methoden ist, dafür aber flexibler, zuverlässiger, günstiger und eben deutlich schneller. Anwenden lässt sich das Verfahren auf die verschiedensten Viren – es müssen lediglich die Nanopartikel entsprechend angepasst werden, damit das jeweilige Antigen bzw. der betreffende Antikörper andocken kann.

Nanomedizin in die Praxis überführen

„In der Nanomedizin haben wir unser größtes Ziel klar vor Augen: die Translation – die Überführung in die Klinik, zu Patientinnen und Patienten“, erklärt Prof. Dr. Christoph Alexiou, Inhaber der Else Kröner-Fresenius-Stiftungsprofessur am Uniklinikum Erlangen. Eine Zukunftsvision des Oberarztes: ein Nanomedizin- und Nanotoxikologiezentrum Bayern, das die nötige Infrastruktur schafft, um Patientinnen und Patienten nanomedizinisch behandeln zu können.

Die Forscherinnen und Forscher präsentierten dem Gesundheitsminister noch weitere, vielversprechende Einsatzgebiete für magnetische Nanopartikel. So könnten die winzigen Wunderwerkzeuge helfen, in Zukunft Blutvergiftungen sehr viel schneller zu diagnostizieren. Denn bei einer Sepsis gilt: Zeit ist Leben. Bislang dauert es mit dem herkömmlichen Verfahren einer Blutkultur bis zu 72 Stunden, bis der Erreger identifiziert ist und von einem Breitband-Antibiotikum auf ein spezielleres Medikament gewechselt werden kann, um die Therapie wesentlich zu beschleunigen und die Überlebenschancen erheblich zu steigern.

Wie Nanomedizin Leben retten könnte

Das Prinzip, wie magnetische Nanopartikel helfen können, eine schwere Sepsis zu diagnostizieren, ist ähnlich wie bei den Tests: Die Oberfläche der Teilchen wird mit einem bestimmten Eiweiß aus dem Speichel ausgestattet. Dieses Protein ist Teil des angeborenen Immunsystems und dient dem Körper als erste Schutzbarriere vor Krankheitserregern. Treffen nun Bakterien auf die so präparierten Nanopartikel, binden sie sich daran und können aus der Probe schnell magnetisch isoliert werden. Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass sich die partikelgebundenen Bakterien anschließend mit gängigen klinischen Untersuchungsmethoden identifizieren lassen.

Auf eine etwas andere Weise könnten magnetische Nanopartikel künftig gegen Tumoren helfen und Chemotherapien effizienter, aber gleichzeitig schonender machen. Dabei werden die Nanopartikel mit Medikamenten „aufgeladen“ und in die Blutbahn gespritzt. Von außen werden sie durch einen Magnet-Roboter – in Erlangen kommt bisher das einzige Gerät weltweit zu Forschungszwecken zum Einsatz – an die richtige Stelle im Körper gesteuert: Sie entfalten erst im Tumor ihre Wirkung und töten die Zellen ab, während gesunde Zellen – zum Beispiel Immunzellen, die weiterhin aktiv sein können – geschont werden. Neben dem Transport von Medikamenten arbeiten die Forscherinnen und Forscher im SEON daran, Körperzellen mit magnetischen Nanopartikeln zu „beladen“ und diese Zellhybride dann an einen Einsatzort gezielt zu steuern. Zum Beispiel ist ihnen dies mit T-Zellen gelungen, die als Teil des Immunsystems Krankheiten bekämpfen und auch gegen Tumorzellen wertvolle Helfer sind. Das Besondere daran: Auch, wenn sie an die Nanopartikel gebunden und damit steuerbar sind, können sie immer noch ihre Aufgaben im Körper ausüben.

Großes Potenzial versprechen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von magnetischen Nanopartikeln auch, wenn es darum geht, sichere Kontrastmittel für die Kernspintomografie (MRT) zu entwickeln. Ihnen ist es gelungen, deutlich verträglichere Nanopartikel herzustellen, die in Pilotversuchen vielversprechende Eigenschaften für die Bildgebung aufweisen.

Quelle: uni | mediendienst | forschung Nr. 52/2022

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Christoph Alexiou
09131 85-33142
christoph.alexiou(at)uk-erlangen.de