Prof. Dr. Robert Grützmann verrät, was die beste Vorsorge gegen Darmkrebs ist und worauf es bei der Therapie ankommt. Eine Patientin schildert, wie es ihr mit der Diagnose erging.
„Die Lebensweise ist das A und O“, betont Prof. Dr. Robert Grützmann. „Trotz allem gibt es Schicksal, und wir haben auch hin und wieder Patientinnen oder Patienten unter 40, die gesund gelebt haben, denen wir aber trotzdem einen Tumor entfernen müssen.“ Darmkrebs ist eine Erkrankung, die einen aber meist erst im Alter zwischen 70 und 80 Jahren ereilt, erklärt der Direktor der Chirurgischen Klinik des Uniklinikums Erlangen und Sprecher des hiesigen Darmkrebszentrums.
So ging es auch der 71-jährigen Gertrud H. aus dem Landkreis Forchheim. Ihre Frauenärztin hatte bei einer Kontrolluntersuchung okkultes, also mit dem Auge nicht sichtbares Blut in ihrem Stuhl gefunden. Zweieinhalb Wochen später bekam sie eine Darmspiegelung und die Diagnose Enddarmkrebs. „Ich habe das erst einmal beiseitegeschoben und gedacht: Ich merke ja nichts, mir gehts doch gut“, berichtet Gertrud H. Sie ging schwimmen, machte Sport und Gartenarbeit, war für die Enkel da. Ihre letzte Darmspiegelung lag lange zurück – zu lange. „Eigentlich ist die Koloskopie alle zehn Jahre dran“, mahnt Prof. Grützmann. Die Vorsorge sei ein „echter Segen“, wie er sagt. „Ab 50 sollte jede und jeder zur Darmspiegelung, bei familiärer Vorbelastung oder anderen Risikofaktoren auch schon früher“, erklärt er und verrät: „Ich selbst habe nicht gewartet, bis ich 50 war.“
Laut dem Experten verhindert der besagte vorteilhafte Lebensstil, dass der Krebs im Darm überhaupt entsteht: regelmäßig bewegen, nicht rauchen, ausgewogene Ernährung, viele Ballaststoffe, nur wenig rotes und verarbeitetes Fleisch, kein oder nur wenig Alkohol, Normalgewicht. „Ich rate meinen Patientinnen und Patienten vor allem zu Muskelaufbautraining“, führt der Chirurg aus. „Das tut grundsätzlich der Gesundheit gut, hilft aber auch, eine Erkrankung besser zu überstehen. Auch Fastenkuren tragen neuesten Studien zufolge dazu bei, dass wir länger gesünder leben.“ Doch trotz allem: Der Risikofaktor Alter bleibt.
Darmspiegelung ist ein Muss
Werden bei einer Darmspiegelung Polypen oder Adenome, also potenzielle Krebsvorstufen, entdeckt, werden sie umgehend entfernt. „Das Gute an dieser Untersuchung ist: Wir können nicht nur den ganzen Darm perfekt einsehen, sondern auch gleich Proben entnehmen oder direkt behandeln“, sagt Robert Grützmann. Die Koloskopie bleibe deshalb das diagnostische Mittel der Wahl. „Wer da mitmacht, dem kann ich die Angst nehmen“, betont der Chirurg. „Darmkrebs ist heute kein Todesurteil mehr und kann, vor allem wenn er früh erkannt wird, sehr gut behandelt werden.“ Im Durchschnitt einmal pro Monat operieren Robert Grützmann und sein Team jemanden mit Darmverschluss infolge eines Tumors – so weit müsse es aber nicht kommen: „Wenn wir das Frühstadium erwischen, dann leben diejenigen Darmkrebspatientinnen und -patienten, die am Uniklinikum Erlangen operiert wurden, länger als gleichaltrige Gesunde“, sagt der Experte. Diese gute Prognose hat nun auch Gertrud H., denn auch ihr Karzinom im Enddarm wurde rechtzeitig entdeckt; Lymphknoten waren noch nicht befallen. „Gemeinsam haben wir uns deshalb dafür entschieden, ihren Tumor nur zu operieren, ohne eine vorbereitende Strahlen- oder Chemotherapie“, erklärt Robert Grützmann. Er hat die 71-Jährige mit Unterstützung des Da-Vinci-OP-Roboters operiert – minimalinvasiv, also mit sehr kleinen Schnitten. „So heilen die Wunden besser und die Genesung geht schneller – gerade, wenn man nicht mehr 20 ist“, ergänzt der Chirurg. „Da Vinci ist zudem von Vorteil, wenn der Tumor schwer zugänglich ist, zum Beispiel bei stark übergewichtigen Patientinnen und Patienten.“

Während früher noch alle Erkrankten eine ähnliche Therapie bekamen, werden Behandlungen heute immer individueller. In großen interdisziplinären Tumorboards entscheiden Angehörige verschiedener Fachrichtungen, darunter Chirurgie, Strahlentherapie, Gastroenterologie, Radiologie und Pathologie, gemeinsam, was das Beste für eine Patientin wie Gertrud H. ist: Braucht sie eine Vorbehandlung? Wird sie nur operiert oder anschließend noch mit einer Chemotherapie oder Bestrahlung weiterbehandelt? Könnte sie von einer Immuntherapie profitieren? „Entscheidungen sind heute viel komplexer, aber eben auch viel besser auf den Einzelfall abgestimmt“, so Robert Grützmann. „Unser Ziel ist es ja nicht allein, das Überleben der Betroffenen zu sichern, sondern auch die bestmögliche Lebensqualität für sie zu erreichen.“
Fit für die OP
In der OP-Vorbereitung werde deshalb auch die Präha, also die Prähabilitation, immer bedeutsamer. Das heißt, Patientinnen und Patienten werden heute nicht nur hinterher in der Reha, sondern schon vor einem Eingriff fit gemacht: etwa mit Bewegung und Muskelaufbau, guter Ernährung und psychologischer Unterstützung bei Stress oder Ängsten. „Das minimiert postoperative Komplikationen und lässt die Patientinnen und Patienten schneller in ihren Alltag zurückkehren“, erklärt Prof. Grützmann.
Keine Angst vorm Stoma
Sitzt ein Tumor wie bei Gertrud H. im Enddarm und muss dort herausoperiert werden, bekommen Betroffene mitunter vorübergehend oder auch dauerhaft einen künstlichen Darmausgang, ein Stoma. „Manche Erkrankte sind da skeptisch, aber wenn das gut gemacht wird, hat man damit eine sehr gute Lebensqualität“, verspricht Prof. Grützmann. „Man sieht es unter der Kleidung nicht, man riecht nichts, man kann ein ganz normales Leben führen. Und wenn die Alternative ist, zu sterben, kann ich das eigentlich nicht ablehnen. Wir haben am Uniklinikum speziell ausgebildete Stomatherapeutinnen, die Bücher zum Thema schreiben und tolle pflegerische Arbeit leisten, um Betroffene im Umgang mit dem künstlichen Darmausgang anzuleiten.“ Bei Getrud H. war letztlich gar kein Stoma nötig. Seit ihrer Diagnose rät sie anderen zur Darmkrebsvorsorge. „Es gibt keinen Grund, es nicht zu machen“, findet sie. „Ihre Söhne sollten sich jetzt auch anmelden“, gibt Prof. Grützmann ihr noch mit auf den Weg.
Die beste Wahl
Die 2023 im Deutschen Ärzteblatt veröffentlichte WiZen-Studie zeigt: Wer in einem zertifizierten Krebszentrum operiert wird, lebt signifikant länger.
Darmkrebsmonat März
Am 12. März 2025 lädt das Darmkrebszentrum des Uniklinikums Erlangen zu einer Patientenveranstaltung ein (17.00–18.00 Uhr, Konferenzraum des Chirurgischen Zentrums, 00.354, Krankenhausstr. 12). Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht nötig.
Weitere Informationen:
Darmkrebszentrum
09131 85-33201
www.darmkrebszentrum.uk-erlangen.de
Text: Franziska Männel/Uniklinikum Erlangen; Fotos: Franziska Männel/Uniklinikum Erlangen, Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen; zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“, Frühling 2025