Eine Zahnbettentzündung betrifft nicht nur den Mund, sondern den ganzen Organismus. Wie Parodontitis entsteht und wie sie behandelt wird. 

Was als Grundschulkind noch aufregend ist, klingt mit Mitte 40 einfach nur beängstigend: Zähne werden locker und drohen auszufallen. Hauptgrund dafür, dass Zähne ihren Halt verlieren, ist Parodontitis – eine chronische Entzündung des Zahnhalteapparats. „Zahnverlust ist aber fast immer vermeidbar“, beruhigt Prof. Dr. Kerstin Galler, Direktorin der Zahnklinik 1 – Zahnerhaltung und Parodontologie des Uniklinikums Erlangen. „Die Heilungschancen sind allerdings umso besser, je früher wir die Parodontitisbehandlung starten.“

Tiefe Taschen

Eine Zahnfleischentzündung (Gingivitis) mit empfindlichem, gerötetem Zahnfleisch, das beim Zähneputzen auch mal blutet, ist zunächst kein Grund zu großer Sorge. Denn eine Gingivitis, hervorgerufen durch bakterielle Zahnbeläge, klingt bei gründlicher Mundhygiene meist zügig wieder ab. Bei Parodontitis – auch Parodontose genannt – ist das Problem ernster: Nicht entfernte Beläge (Plaques) und eine fortschreitende Entzündung dringen bis in das Zahnbett vor – also in das Gewebe und den Knochen, der den Zahn hält. Das geschundene Zahnfleisch zieht sich zurück, löst sich vom Zahn und bildet Zahnfleischtaschen, die immer tiefer werden. Sie sind der ideale Rückzugsort für weitere Bakterien. Auch der Kieferknochen wird nach und nach abgebaut. So kann es passieren, dass sich Zähne verschieben, sie beim Kauen schmerzen oder sich schlimmstenfalls aus ihrem Halteapparat lösen.

Erste Hinweise auf die Erkrankung können Zahnfleischbluten, schmerzempfindliches Zahnfleisch, „lange“ Zahnhälse und Mundgeruch sein. Die Hauptursache: unzureichende Mundhygiene. Vor allem die Reinigung der Zahnzwischenräume wird häufig vernachlässigt. Parodontitis ist eine der häufigsten chronisch-entzündlichen Erkrankungen des Menschen: Von leichteren Formen ist schätzungsweise mehr als die halbe Weltbevölkerung betroffen. „Das liegt aber vor allem daran, dass die Menschen immer älter werden“, erklärt Kerstin Galler. „Die Kurve der Erkrankungsfälle steigt mit dem Alter an. Drei Viertel der Über-65-Jährigen haben eine behandlungsbedürftige Parodontitis.“

A und O: Mundhygiene

Die Therapie orientiert sich dann am Schweregrad der Parodontitis. „Freiliegende Wurzeloberflächen säubern wir mit Hand- und Ultraschallinstrumenten und manchmal mit einem Pulverstrahl“, erklärt Prof. Galler. „Antibiotika gegen die Bakterien setzen wir nur äußerst selten ein, weil wir Nebenwirkungen und Resistenzbildungen vermeiden wollen. Mit sehr guter Mundhygiene ist meist schon viel gewonnen.“ Deshalb leitet das Erlanger Team alle Patientinnen und Patienten darin an, ihre Zahnoberflächen und -zwischenräume akribisch zu säubern. Nur selten müssen Knochen und Gewebe um einen bereits gelockerten Zahn mit Ersatzmaterialien rekonstruiert oder gar Zähne entfernt werden. „Wir wollen einen Zahn immer so lange wie möglich erhalten“, betont Kerstin Galler. „Wenn er voreilig gezogen und ein Implantat in ohnehin entzündetes Gewebe gesetzt wird, kommen wir schnell von der Parodontitis zur Periimplantitis – einer Entzündung rund um das Implantat. Diese Situation ist dann noch schwerer beherrschbar.“ Um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen, sollten ein paar einfache Grundregeln beachtet werden (s. Kasten).

Text und Fotos: Franziska Männel/Uniklinikum Erlangen; zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“, Herbst 2022