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Unterstützung der COVID-19-Forschung mit tagesaktuellen Daten

Unterstützung der COVID-19-Forschung mit tagesaktuellen Daten

Erlanger Experten koordinieren Aufbau der dezentralen Knoten in der nationalen Forschungsdatenplattform CODEX – erste Ergebnisse publiziert

Im Rahmen des Projekts „COVID-19 Data Exchange Platform“ (CODEX) stellt die Medizininformatik-Initiative (MII) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) aktuelle Daten für die COVID-19-Forschung bereit. Das zeigt beispielhaft eine kürzlich veröffentlichte Studie der MII. Die dezentrale Forschungsinfrastruktur der MII wird für CODEX um eine zentrale Datenplattform erweitert, um der COVID-19-Forschung auf breiter Basis Real-World-Daten zur Verfügung zu stellen sowie Ärzten und Entscheidungsträgern im Gesundheitssystem tagesaktuell behandlungs- bzw. entscheidungsrelevante Daten zu COVID-19 zu liefern. Das im August 2020 gestartete Projekt CODEX ist zentraler Baustein des mit 150 Millionen Euro vom BMBF geförderten Netzwerks Universitätsmedizin (NUM). Die Entwicklung der dezentralen CODEX-Komponenten geschieht unter Federführung von Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch, CIO des Medizinischen Zentrums für Informations- und Kommunikationstechnik des Universitätsklinikums Erlangen und Inhaber des Lehrstuhls für Medizinische Informatik der FAU Erlangen-Nürnberg.

In der MII haben seit 2018 bundesweit 29 Universitätskliniken sogenannte Datenintegrationszentren (DIZ) errichtet, um Daten aus der Versorgung und der Forschung klinikübergreifend und datenschutzgerecht für die Forschung nutzbar zu machen. Mit Beginn der Corona-Pandemie haben die DIZ frühzeitig begonnen, auch COVID-19-spezifische Daten strukturiert und in hoher Qualität für die Forschung bereitzustellen. Der Aufbau dieser dezentralen Infrastruktur hat einen schnellen Einstieg in die Entwicklung der CODEX-Plattform im August 2020 ermöglicht.

Es wird angestrebt, einen COVID-19-spezifischen Forschungsdatenbestand aller universitär-stationären Fälle zu erstellen. Diese standortübergreifende, auf internationalen Standards basierende Datengrundlage soll neuartige wissenschaftliche Auswertungen zu COVID-19 ermöglichen, z. B. zum Einsatz und zum Erfolg von Therapien und Medikamenten oder zur Patientenstruktur an den Uni-Klinika. Dafür sollen möglichst kurzfristig pseudonymisierte klinische Daten, ergänzend auch Bilddaten und Daten zu Bioproben, aus allen deutschen Uni-Klinika zusammengeführt werden, wobei die erforderlichen ethischen und datenschutzrechtlichen Anforderungen berücksichtigt werden: Grundlage für die Datennutzung ist die Einwilligung der betreffenden Patienten.

„Die umfassenden technischen und rechtlichen Vorarbeiten der Medizininformatik-Initiative, insbesondere die Datenintegrationszentren, sind wichtige Grundlage für die Forschungsdatenplattform zu COVID-19, obwohl wir uns erst mitten in der vom BMBF für 2018 bis 2022 vorgesehenen Aufbauphase der MII befinden. Es ist wichtig, dass wir projektübergreifend öffentlich geförderte Forschungsinfrastrukturen gemeinsam nutzen und weiterentwickeln“, betont Sebastian C. Semler, TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V., Leiter der MII-Koordinationsstelle, der gemeinsam mit Ralf Heyder, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Leiter der NUM-Koordinationsstelle, das CODEX-Gesamtprojekt leitet.

Studie zeigt Potenzial der MII-Infrastruktur für die COVID-19-Forschung

Auf dieser Basis sind bereits erste wissenschaftliche Analysen zu COVID-19 publiziert worden, um den Herausforderungen der Pandemie zu begegnen. So demonstriert eine in dieser Woche veröffentlichte Studie des von der FAU Erlangen-Nürnberg geleiteten Forschungsteams der MII, wie Patientendaten der Uni-Klinika-Standorte mithilfe der DIZ-Infrastruktur der MII mittels verteilter Auswertungskonzepte analysiert werden können. Untersucht wurde die Anzahl der stationären Krankenhauseinweisungen in 18 deutschen Uni-Klinika zwischen dem 1. Januar und dem 31. Mai 2020 im Vergleich zum selben Zeitraum 2018 und 2019.

Prof. Prokosch, der die Entwicklung der dezentralen Komponenten der CODEX-Plattform koordiniert, fasst die Studienergebnisse zusammen: „Die Anzahl der stationär aufgenommenen Patienten an den Universitätskliniken in Deutschland ist in den ersten vier Wochen nach der Ankündigung des COVID-19-Lockdowns am 16. März 2020 im Vergleich zu 2018 im Durchschnitt um 35 Prozent zurückgegangen. Das betrifft teilweise auch Krankenhauseinweisungen in Notfallaufnahmen, beispielsweise wegen eines Herzinfarkts. Hier wurde im Vergleich zum selben Zeitraum 2018 in 2020 eine um 38,7 Prozent reduzierte Anzahl von Patienten stationär aufgenommen. Der Unterschied war bei kritischen Gesundheitszuständen in der Krebsbehandlung deutlich geringer mit einer in 2020 nur um 13 Prozent reduzierten Krankenhausaufnahme im Vergleich zu 2018. Beim Vergleich zwischen Operationen zum Ersatz von Hüftgelenken bei Arthrose und zur Versorgung akuter Frakturen kann aber beispielhaft illustriert werden, dass planbare Operationen deutlich zurückgingen, wohingegen Notfalloperationen im Prinzip unverändert durchgeführt wurden.“

CODEX führt Daten unterschiedlicher Quellen datenschutzgerecht zusammen

„Für CODEX wird die erfolgreich aufgebaute dezentrale Forschungsdateninfrastruktur der MII um eine Plattform erweitert, die es Forschenden ermöglicht, komplexe COVID-19-Datensätze aus verschiedenen Quellen zentral auszuwerten: aus den Datenintegrationszentren der MII, aber auch aus kommunalen Kliniken, dem niedergelassenen Bereich und von Gesundheitsämtern. Die Plattform soll auch die Zusammenführung mit Daten ermöglichen, die direkt von Bürgern über Apps erhoben werden“, erklärt Prof. Dr. Roland Eils, Zentrum für Digitale Gesundheit, Berlin Institute of Health und Charité – Universitätsmedizin Berlin, der den Aufbau der zentralen CODEX-Plattform koordiniert und wie Prof. Prokosch Mitglied des CODEX-Lenkungsausschusses ist.

„Die Datenplattform soll insgesamt zu einem besseren Verständnis der Erkrankung COVID-19 beitragen und als Grundlage für politische Entscheidungen dienen. Außerdem wollen wir mit dieser Datenbasis die Entwicklung von neuen Diensten und Anwendungen für Gesundheitseinrichtungen und Bürger voranbringen und die Möglichkeit bieten, evidenzbasierte Entscheidungsunterstützungssysteme für Ärzte zu entwickeln“, erläutert Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Vorstandsvorsitzender der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Mitinitiator des NUM.

Im Verlauf des CODEX-Projekts, in dessen Startphase auch die klinische Forschungsplattform des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung e. V. zum Einsatz kommt, werden sukzessive weitere Funktionalitäten für die COVID-19-Pandemieforschung entwickelt und für den nachhaltigen Betrieb etabliert.

Hintergrund

Ziel der Medizininformatik-Initiative ist die Verbesserung von Forschungsmöglichkeiten und Patientenversorgung durch innovative IT-Lösungen. Diese sollen den Austausch und die Nutzung von Daten aus Patientenversorgung, klinischer und biomedizinischer Forschung über die Grenzen von Institutionen und Standorten hinweg ermöglichen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die MII bis 2022 mit rund 160 Millionen Euro. In den vier Konsortien DIFUTURE, HiGHmed, MIRACUM und SMITH arbeiten alle Einrichtungen der Universitätsmedizin in Deutschland an über 30 Standorten gemeinsam mit Forschungseinrichtungen, Unternehmen, Krankenkassen und Patientenvertretern daran, die Rahmenbedingungen zu entwickeln, damit Erkenntnisse aus der Forschung direkt den Patienten erreichen können. Datenschutz und Datensicherheit haben dabei höchste Priorität.

Für die nationale Abstimmung der Entwicklungen innerhalb der MII ist eine Koordinationsstelle zuständig, die die TMF – Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung e. V. gemeinsam mit dem Medizinischen Fakultätentag der Bundesrepublik Deutschland e. V. und dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands e. V. in Berlin betreibt.

Website des Netzwerks Universitätsmedizin – Informationen über CODEX

Website der Medizininformatik-Initiative – Informationen über CODEX

Zur Original-Publikation

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch
Telefon: 09131 85-26721
E-Mail: hans-ulrich.prokosch(at)fau.de