Liegend Leben retten – das geht in der neuen, modernen Blutspendezentrale des Uniklinikums Erlangen jetzt noch besser. Ein Besuch.

„Das ist unsere Antarktis.“ Pflegefachkraft Jens Schriewer zieht sich eine warme, blaue Jacke über und nimmt sich eine Mütze vom Kleiderhaken – eine mit dickem Fell und großen, wärmenden Ohrenklappen. „Wir müssen da zügig reingehen, damit nicht unnötig viel Wärme in den Raum kommt“, erklärt er. „Sonst ist das wie bei Ihrem Tiefkühlschrank zu Hause: Wenn der zu lange offen bleibt, vereist er.“ In dem Kühlraum im Untergeschoss der Hartmannstraße 14 herrschen −35 °C. Hier lagert das Blutplasma von Spenderinnen und Spendern des Uniklinikums Erlangen – ein wertvolles Gut, das bis heute kein Labor der Welt künstlich erzeugen kann. Aus dem Plasma stellt die Pharmaindustrie Medikamente her. „Einmal im Monat kommt ein Lkw, um es abzuholen“, sagt Jens Schriewer und hält eine hellgelbe Konserve in die Kamera. Im Schockfroster wurden die Beutel bei −50 °C zu festen Platten zusammengepresst. Plasma enthält Gerinnungsfaktoren, die z. B. Menschen dringend brauchen, die an der Bluterkrankheit (Hämophilie) oder am Von-Willebrand-Syndrom leiden. Letzteres zeigt sich u. a. durch häufiges Nasenbluten, eine starke Regelblutung oder auffallend viele blaue Flecken auf der Haut.

„Hier gibt es überall Sensoren für Luftdruck, Feuchtigkeit und Temperatur“, erklärt Jens Schriewer. „Es darf keine Abweichungen geben. Deshalb überwachen wir und die Leitwarte des Uniklinikums permanent alle Werte, und die Kollegen werden zum Beispiel automatisch informiert, wenn bei uns irgendeine Tür nicht richtig geschlossen ist.“

An die „Antarktis“ grenzt der Herstellungsbereich an. Hier bearbeiten die Mitarbeitenden der Transfusionsmedizinischen und Hämostaseologischen Abteilung die Blutprodukte aus dem Entnahmebereich – sie prüfen, packen ab, wiegen, dokumentieren und versehen die einzelnen Beutel mit Etiketten. Konzentrate mit roten Blutkörperchen (Erythrozyten) wandern in einen begehbaren Kühlschrank mit einer Temperatur von 4 °C, Blutplättchen in einen „Thrombozytenschüttler“, der sie permanent hin und her bewegt, damit sie nicht verklumpen, und das Plasma in den −35 °C kalten „Eistresor“. Mehrmals täglich werden Konserven abgeholt und in die Blutbank des Uniklinikums Erlangen in die Krankenhausstraße gebracht.

Einfach etwas Gutes tun

Die neue Blutspendezentrale der Transfusionsmedizin samt Herstellungs- und Lagerbereich befindet sich seit März 2022 in der Hartmannstraße. „Seitdem erweitern wir nach und nach unsere Kapazitäten“, erklärt Oberärztin Dr. Susanne Achenbach. Blutspenderinnen und -spender betreten nun großzügig gestaltete, klimatisierte Räume. Die Ausstattung ist modern, es gibt viel Tageslicht und ausreichend Platz. Autos und Fahrräder können direkt vorm Haus geparkt werden. „Auch unsere Abläufe haben wir optimiert“, sagt Dr. Achenbach. „Donnerstags haben wir unseren langen Spendetag bis 19.00 Uhr, und der Fragebogen, den jeder vorab ausfüllen muss, kann vor Ort bald bequem am Bildschirm bearbeitet werden.“ Nach der Anmeldung im Erdgeschoss und der Vorstellung bei der Aphereseärztin bzw. dem Apheresearzt geht es in den Entnahmebereich: Hier gibt es zehn Plätze für die Vollblut-, Plasma- oder Thrombozytenspende. Im Anschluss dürfen sich die Freiwilligen noch etwas ausruhen. In einem kleinen Nebenraum warten Snacks und Getränke.

Am heutigen Vormittag sind bisher vier von zehn Liegen belegt. Auf einer sitzt Silke D. – seit 15 Jahren Dauerspenderin. Die 48-Jährige mag die hellen Räume und dass sie ihre Termine problemlos online buchen kann. „Ich komme jeden zweiten Dienstag und spende Thrombozyten. Davon habe ich besonders viele, und nach 50 Minuten bin ich fertig“, sagt sie. Sie habe schon immer regelmäßig Geld an verschiedene Organisationen gespendet. „Aber Blutspenden ist eine der einfachsten Möglichkeiten, etwas Gutes zu tun.“ Silke D. ist Universalspenderin: Ihre Blutgruppe 0- ist mit allen anderen kompatibel. „Ich finde es total wichtig, dass es immer genug Blutprodukte gibt“, sagt sie. Zudem schätzt sie es, dass sie dank der Untersuchung immer ihre aktuellen Blutwerte erfährt. „Wir haben für alle Blutbestandteile zu wenige Spenderinnen und Spender“, beklagt Jens Schriewer, während er zu den freien Liegen neben Silke D. blickt.

Blut für das Uniklinikum

„Nur drei Prozent der Deutschen, die Blut spenden könnten, machen das auch“, ergänzt Dr. Achenbach. „Wir wollen mehr Menschen dazu bewegen und unseren Eigenbedarf am Uniklinikum langfristig noch stärker selbst decken“, sagt die Oberärztin. Die 5.500 Thrombozytenkonzentrate, die vor allem die Krebspatientinnen und -patienten des Uniklinikums jedes Jahr bekommen, stammen bereits aus der eigenen Herstellung. Und auch bei den Erythrozyten will die Transfusionsmedizin autark werden: Jährlich verbrauchen die Ärztinnen und Ärzte des Uniklinikums Erlangen ca. 20.000 Einheiten der roten Blutkörperchen – hauptsächlich bei großen Operationen, in der Intensivmedizin und bei Chemo- und Strahlentherapien.

Wenn die Blutung nicht aufhört

Susanne Achenbach und Jens Schriewer gehen nun voran, die Treppe hinauf in den ersten Stock – zur Gerinnungsambulanz. „Der Patientenbereich hier oben und der Entnahmebereich im Erdgeschoss sind strikt getrennt, um unter anderem Infektionen, aber auch Verwechslungen vorzubeugen“, erklärt Dr. Achenbach. Sechs bis acht Personen werden in der Gerinnungsambulanz täglich untersucht oder behandelt. Sie kommen aus ganz Mittelfranken. „Ein häufiger Fall sind Schwangere, in deren Familie eine Gerinnungsstörung aufgetreten ist. Spätestens wenn ein Kaiserschnitt ansteht, bei dem Blutungen nicht auszuschließen sind, oder wenn es schon im Vorfeld auffällige Blutungen gab, stellen sich die Frauen bei uns zur Gerinnungsdiagnostik vor“, erklärt Jens Schriewer. Dazu kommen Menschen mit Hämophilie und andere, die entweder zu Blutungen oder zu Thrombosen neigen. Dann wird u. a. geklärt: Ist eine angeborene Blutungs- oder Thromboseneigung oder ein Medikament Auslöser für die Beschwerden? Welche Arzneimittel müssen vor einer geplanten Operation abgesetzt, welche zusätzlich eingenommen werden? „Auch Hausärztinnen und -ärzte wenden sich mit speziellen Diagnostikfragen an uns“, ergänzt Jens Schriewer.

Stammzellen für Krebskranke

In der Ambulanz wird Gerinnungspatientinnen und -patienten Blut für weitere Untersuchungen abgenommen. „Außerdem machen wir hier Aderlasstherapien bei Menschen, deren Eisenspeicher übervoll sind“, sagt Dr. Achenbach. „Indem wir ihnen regelmäßig Blut abnehmen, entfernen wir auch das Eisen aus ihrem Körper. Ziel ist es, so ihre Werte zu normalisieren.“ Eine weitere Behandlungsoption für Schwerkranke sind Stammzellen. Die Oberärztin erklärt: „Patientinnen und Patienten können die Stammzellen zum einen für sich selbst spenden. Diese werden in unserer benachbarten Stammzellbank in flüssigem Stickstoff tiefgefroren und der Patientin oder dem Patienten dann zum Beispiel nach einer hochdosierten Chemotherapie zurückgegeben. Zum anderen entnehmen wir auch Blutstammzellen von gesunden Spenderinnen und Spendern für deren Angehörige. Bei den Erkrankten sollen die fremden Stammzellen dann im Knochenmark anwachsen und dort neue Blutzellen bilden.“

Leukämiepatient Michael P. hatte bereits zwei dieser Stammzelltransplantationen – doch die Immunzellen des Spenders richteten sich gegen seinen Körper. Seine Haut rötete und entzündete sich, er bekam Muskelkrämpfe. Heute Vormittag hat Michael P. es sich mit seinem Tablet auf einer Behandlungsliege bequem gemacht. Die Sonne fällt durch die großen Fenster in den Therapieraum. In den folgenden drei Stunden werden die weißen Blutkörperchen aus dem Blut von Michael P. gesammelt, außerhalb des Körpers mit UV-A-Licht bestrahlt und ihm dann per Infusion wieder übertragen. „So, als würde er die UV-Strahlung der Sonne abbekommen, aber ohne, dass seine Haut dazwischen ist“, vereinfacht Jens Schriewer den Vorgang, der ECP genannt wird – extrakorporale Photopherese. „Die bestrahlten Zellen lenken das überaktive Immunsystem ab und sorgen dafür, dass körpereigene Zellen nicht weiter geschädigt werden“, erklärt Dr. Achenbach. In drei bis vier Wochen kommt Michael P. wieder. „Dank der ECP geht es ihm deutlich besser“, weiß die Transfusionsmedizinerin.

Text: Franziska Männel/Uniklinikum Erlangen; Fotos: Michael Rabenstein/Uniklinikum Erlangen; zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“ Winter 2022/23