Um dem Mangel an Spenderherzen entgegenzuwirken, arbeiten Erlanger Forschende daran, lebendes Herzgewebe zu drucken. Ein erster Erfolg: Herzmuskelringe und -ventrikel, die sogar pulsieren.

Es klingt wie in einem Science-Fiction-Film, und doch haben Forschende der Nephropathologischen Abteilung des Uni-Klinikums Erlangen es wahr werden lassen: Sie haben lebendes Herzgewebe gedruckt. Prof. Dr. Felix Engel leitet die Arbeitsgruppe für experimentelle Herz- und Kreislaufforschung und arbeitet mit seinem Doktoranden Tilman Esser seit 2017 an diesem Thema. Der Ausgangspunkt ihres Ansatzes: „Herzerkrankungen zählen zu den häufigsten Todesursachen. Eine Organtransplantation ist zwar eine gute Lösung, aber es gibt leider nicht genügend Spenderorgane. Deswegen haben wir uns mit einer Ersatzlösung auseinandergesetzt: dem 3-D-Druck von Herzgewebe“, erläutert Prof. Engel.

So einfach, wie sich das anhören mag, ist es aber bei Weitem nicht, denn: Zunächst muss die perfekte Zusammensetzung der „Biotinte“ gefunden werden, sodass sie sich einerseits drucken lässt, andererseits aber auch ein stabiles Gewebe bildet. Außerdem müssen die Zellen permanent am Leben gehalten werden, und die Wissenschaftler müssen herausfinden, wie sich die Strukturen verhalten. „In welches Gefäß drucken wir das Gewebe und wie bewahren wir es auf? Wie sind die Zellen im Gewebe verteilt? Kommunizieren sie mit ihren Nachbarzellen? Welche Pumpleistung hat das 3-D-gedruckte Herzgewebe?“, nennt Tilman Esser einige Fragen aus der Forschung. Vor rund zwei Jahren druckten er und sein Doktorvater das erste Mal mit menschlichen Zellen, 2021 fand Tilman Esser die optimale Zusammensetzung für seine Biotinte.

Wie Grießbrei

„Zuerst werden pluripotente Stammzellen im Labor vermehrt, die sich etwa aus menschlichen Hautzellen generieren lassen. Danach machen wir daraus Herzmuskelzellen“, erklärt der Forscher. „Um die geeignete Biotinte zu erhalten, mischen wir diese Zellen anschließend mit Kollagen, Hyaluronsäure und anderen Substanzen. Unsere Biotinte ist sehr flüssig und würde zerlaufen, würden wir sie einfach in eine Petrischale drucken. Da die Biotinte erst mit der Zeit fest wird, behelfen wir uns mit einem sogenannten Stützbad. Stellen Sie sich das vor wie Grießbrei, durch den die Drucknadel sich bewegen kann, der aber das Verlaufen der Biotinte verhindert“, beschreibt Tilman Esser den Vorgang. Nachdem sich das Zellkonstrukt verfestigt hat, entfernt der studierte Molekularmediziner das stützende Gerüst, gibt eine Nährlösung auf das gedruckte Gewebe und stellt es in einen 37 Grad Celsius warmen Inkubationsschrank. Dort bleibt es dann einige Tage, um zu „reifen“.

Zur Optimierung des Druckprozesses und der Zusammensetzung der Tinte haben Prof. Engel und Tilman Esser schon einige Hundert Herz muskelringe mit knapp 5 Millimetern Durchmesser gedruckt. Vor Kurzem ist es den beiden sogar gelungen, vereinfachte Modelle eines Herzventrikels, also einer Herzkammer, zu drucken – ballonartige Konstrukte, die etwa 15 mal 8 Millimeter messen und aus je ca. 15 Millionen Zellen bestehen. Der Druckprozess selbst dauert nur wenige Minuten. „Das Besondere an unseren 3-D-gedruckten Ringen und Ventrikeln ist, dass sie nach einigen Tagen tatsächlich schlagen – so wie ein echtes Herz“, betont Felix Engel. „Dazu müssen sich die Zellen zunächst an ihre neue Umgebung gewöhnen und mit den benachbarten Zellen Kontakt aufnehmen. Daraufhin gehen sie einen Verbund ein und das Gewebe beginnt, eigenständig zu kontrahieren.“

Pumpkraft untersuchen

Die Herzmuskelringe und -ventrikel untersucht Tilman Esser genau, färbt Zellen ein und macht Gewebeschnitte, um mehr über ihre Zusammensetzung zu erfahren. „Wir wollen außerdem herausfinden, wie viel Flüssigkeitsvolumen die gedruckte Herzkammer pumpen kann und welche Kraft das Gewebe dabei ausübt.“ Für diese Messung werden die Herzmuskelringe über spezielle, leicht elastische „Pfeiler“ gestülpt. „Auch deshalb bot es sich an, die Zellen in Ringform zu drucken“, so Tilman Esser. Der Reifegrad der aktuell gedruckten Zellstrukturen entspricht etwa dem eines Neugeborenen, doch das wollen die beiden Forscher ändern. Prof. Engel: „Wir haben bewiesen, dass es prinzipiell möglich ist, einen lebenden Ventrikel mit dem 3-D-Drucker herzustellen. Nun streben wir an, Ventrikel zu drucken, die mehr Kraft ausüben als die bisherigen, sodass die Pumpleistung des Gewebes mit der eines echten Herzens mithalten kann.“ Doktorand Tilman Esser ergänzt: „Einer unserer nächsten Schritte wäre dann, mit mehreren Biotinten – also mit verschiedenen Druckerkartuschen – parallel zu drucken. Damit könnten wir die Anatomie und den Aufbau eines natürlichen Herzens besser nachempfinden.“ Der Hintergrund: Nur etwa 30 Prozent unseres Herzens bestehen aus Muskelzellen, die übrigen 70 Prozent machen z. B. Blutgefäß- oder Bindegewebszellen aus. Ein so komplexes Organ wie das Herz mittels 3-D-Druck herzustellen, wäre eine echte Bereicherung für die Medizin: „Diese herzähnlichen Systeme könnten wir dann beispielsweise dazu verwenden, die Wirkung von Medikamenten effizienter zu testen als im Tierversuch“, so Felix Engel. „Kleinere Teile des menschlichen Herzens könnten aber auch schon früher durch gezüchtetes Gewebe unterstützt oder ersetzt werden. Das wäre dann eine Art ‚Herzpflaster‘, das zum Beispiel Patientinnen und Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz gute Dienste leisten könnte.“

Text und Bilder: Alessa Sailer/Uniklinikum Erlangen; zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“, Sommer 2022