Zum Hauptinhalt springenSkip to page footer

Wenn der Storch Unterstützung braucht

Fast jedes zehnte Paar in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Wie sich der Kinderwunsch doch noch erfüllen kann, erläutert Gynäkologin PD Dr. Laura Lotz.

Frau Dr. Lotz, was ist der Grund für die zunehmende ungewollte Kinderlosigkeit?

Der Haupteinflussfaktor ist das Alter der Frau. Viele unserer Patientinnen beginnen ihre Familienplanung heute mit Ende 30 bis Mitte 40. Doch schon ab 30 Jahren nimmt die weibliche Fruchtbarkeit deutlich ab, ab 35 Jahren noch stärker. Das macht dann natürlich auch eine Kinderwunschbehandlung schwieriger.

Gibt es weitere Faktoren?

Häufige Gründe für Unfruchtbarkeit sind hormonelle Störungen und anatomische Gegebenheiten, also beispielsweise verschlossene Eileiter oder verschlossene Samenleiter beim Mann. Auch gynäkologische Erkrankungen wie Endometriose spielen eine Rolle. Oft lässt sich aber keine eindeutige Ursache finden.

Welche Optionen gibt es, um eine Schwangerschaft dennoch möglich zu machen?

Die erste Stufe der Kinderwunschbehandlung ist der sogenannte Verkehr zum Optimum. Das heißt, wir überwachen den Zyklus der Frau, unterstützen die Eizellreifung gegebenenfalls medikamentös und lösen den Eisprung aus, wenn wir im Ultraschall sehen, dass die Gebärmutterschleimhaut optimal aufgebaut und ein Eibläschen vorhanden ist. Paare sollten genau zu diesem Zeitpunkt Geschlechtsverkehr haben, weil dann die höchste Befruchtungswahrscheinlichkeit besteht. Eine weitere Möglichkeit ist die intrauterine Insemination, kurz IUI, eine unterstützte Befruchtung. Auch in diesem Fall helfen Medikamente bei der Eizellreifung. Zusätzlich werden die Spermien des Mannes im Labor aufbereitet, sodass nur die guten und beweglichen übrig bleiben. Diese Spermien werden der Frau anschließend mit einem dünnen Katheter in die Gebärmutter eingeführt, um sie direkt näher an die Eizelle zu bringen. Neben Verkehr zum Optimum und IUI gibt es die Methoden der künstlichen Befruchtung.

Wie funktioniert diese Art der Behandlung?

Bei der künstlichen Befruchtung geht es um zwei Verfahren. Sowohl bei der In-vitro-Fertilisation, kurz IVF, als auch bei deren Sonderform, der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion, kurz ICSI, muss sich die Frau über mehrere Tage Hormone spritzen, die der Eizellreifung dienen. Für ein solches Verfahren sollen möglichst viele Eizellen im Eierstock heranreifen. Diese werden anschließend per Follikelpunktion entnommen. Das ist ein kleiner Eingriff, meist in einer kurzen Narkose, mit einer speziellen Ultraschallsonde. Die gewonnenen Eizellen gehen anschließend ins Labor, wo sie im Fall der IVF im Reagenzglas mit Spermien zusammengebracht werden. Am nächsten Tag wird überprüft, ob eine Befruchtung stattgefunden hat.

Wo genau liegt der Unterschied zur ICSI-Behandlung?

Bei der ICSI wird ein einzelnes Spermium direkt in das Zytoplasma der Eizelle injiziert. Nach ein paar Tagen können wir sehen, ob sich der Embryo gut entwickelt. 

Für wen ist welche Art der Behandlung am besten geeignet?

Eine IUI eignet sich besonders für leichte Auffälligkeiten im Spermiogramm, also dann, wenn die Spermien nicht ganz so beweglich sind, oder wenn sich Veränderungen am Gebärmutterhals erkennen lassen. Dann besteht nämlich die Sorge, dass die Spermien nicht von allein in die Gebärmutter kommen. Wenn das Spermiogramm so auffällig ist, dass eine natürliche Befruchtung unmöglich ist, empfiehlt sich hingegen direkt eine ICSI. Hat der Mann eine ausreichende Anzahl guter Spermien, die Frau aber blockierte oder beschädigte Eileiter, rate ich zur IVF-Behandlung.

Wie hoch sind die Erfolgschancen der Kinderwunschbehandlungen?

Gezielter Geschlechtsverkehr während der fruchtbaren Tage und eine IUI bieten pro Zyklus durchschnittlich jeweils eine 10- bis 20-prozentige Chance auf eine Schwangerschaft. Bei der künstlichen Befruchtung liegt die Schwangerschaftsrate pro Transfer bei ungefähr 30 Prozent und die Lebendgeburtenrate bei circa 26 Prozent. In jedem Fall sind die Chancen jedoch stark altersabhängig.

Übernehmen die Krankenkassen die Kosten für solche Behandlungen?

Die Krankenkassen übernehmen im Regelfall 50 Prozent der Kosten von drei Versuchen einer künstlichen Befruchtung, also IVF oder ICSI, oder von drei Versuchen einer Insemination mit Hormonbehandlung oder von acht Versuchen einer Insemination ohne Hormonstimulation der Frau. Das alles gilt allerdings nur für verheiratete Paare. Darüber hinaus muss die Frau zwischen 25 und 40 Jahren alt sein, der Mann zwischen 25 und 50. Einen weiteren Versuch können Paare beantragen, wenn es zur Schwangerschaft kam, diese aber mit einer Fehlgeburt endete. In Bayern gibt es auf Antrag außerdem einen Zuschuss vom Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, das die Behandlungskosten anteilig auch für unverheiratete Paare übernimmt, sofern deren Hauptwohnsitz in Bayern liegt. Trotzdem beträgt allein der Eigenanteil für künstliche Befruchtungen mehrere tausend Euro.

Gibt es Altersgrenzen für bestimmte Behandlungen?

Viele Kinderwunschzentren sind sehr zurückhaltend, wenn es um Behandlungen nach dem 40. Lebensjahr geht. Nach dem 45. Lebensjahr sind die Chancen auf eine Schwangerschaft so gering, dass wir keine Behandlung mehr empfehlen. Natürlich bestätigen Ausnahmen die Regel, die Erfolgschancen liegen aber unter 15 Prozent – für ein Verfahren, das das Paar komplett selbst zahlen muss.

In welchem Fall raten Sie sonst noch von einer weiteren Behandlung ab?

Wenn ein Paar mehrere erfolglose IVF- bzw. ICSI-Behandlungen hinter sich hat und es trotzdem nicht zu einer Schwangerschaft kommt, muss man sich natürlich fragen, wie Erfolg versprechend ein weiterer Versuch ist. Das Gleiche gilt, wenn die Eierstöcke nicht richtig funktionieren und kaum Eizellen vorhanden sind. Einige Paare können die zeitintensiven Behandlungsphasen zudem nur schwer mit ihrem Berufsleben vereinbaren. Darüber hinaus sind viele durch die Behandlungen psychisch und auch finanziell stark belastet. Andere stecken es vielleicht besser weg und können daher das Risiko eingehen, dass es auch bei einem weiteren Versuch nicht klappt.

Was sind Ihre besten Ratschläge für Paare, die mit der Diagnose Unfruchtbarkeit konfrontiert werden?

Das Wichtigste ist eine offene Kommunikation des Paares untereinander und auch mit uns Ärztinnen und Ärzten. Nur wenn alle Ängste angesprochen werden, können wir psychologische Hilfe anbieten. Eine Kinderwunschbehandlung kann kräftezehrend sein, man sollte aber die Hoffnung nicht verlieren, sich mentalen Beistand suchen und versuchen, sich nicht ausschließlich auf die Kinderwunschthematik zu fokussieren. Sollte die Behandlung schlussendlich nicht gelingen, sprechen wir mit dem Paar gegebenenfalls über die Möglichkeiten einer Adoption. Unterstützung finden Betroffene außerdem beim Betreuungsangebot unseres Psychosozialen Diensts der Geburtshilfe.

Im Labor für Reproduktionsmedizin an der Frauenklinik des Uniklinikums Erlangen untersucht das Team um Prof. Dr. Ralf Dittrich derzeit in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl Biomaterialien der FAU Erlangen-Nürnberg, wie sich künstliches Eierstockgewebe herstellen lässt. Es soll als Gerüst für das Wachstum unreifer Eizellen dienen, die Krebspatientinnen entnommen werden, um ihnen auch nach einer Chemotherapie noch eine Schwangerschaft ermöglichen zu können. Bisher ist das Verfahren nur mit eigenem Eierstockgewebe der Frau möglich, das schockgefroren und eingelagert wird (Kryokonservierung). In manchen Fällen besteht aber die Gefahr, dass im Gewebe befindliche Tumorzellen zu einem Rezidiv führen, wodurch eine Transplantation ausgeschlossen ist.

Text: Marie Böhm/Uniklinikum Erlangen; zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“, Herbst 2024