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Neustart fürs Knie

Silke Koch hatte jahrelang Kniebeschwerden aufgrund von Arthrose. Im Sommer 2024 ließ sie sich schließlich ein künstliches Gelenk einsetzen – roboterassistiert. Heute ist die Patientin wieder fit.

Seit etwa zehn Jahren litt Silke Koch bereits unter Schmerzen im rechten Knie. Dass sie Arthrose hat, wusste die heute 47-Jährige. Doch als die Patientin im November 2023 eines Morgens nicht mehr aufstehen konnte, weil ihr das Knie wegsackte, beschloss Silke Koch, zum Hausarzt zu gehen. „Der hat mich zum Orthopäden überwiesen“, sagt die Haßfurterin. „Allerdings war ich mit der Behandlung in der Praxis nicht zufrieden. Und weil Professor Betsch schon meine Mutter operiert hatte, stellte ich mich bei ihm am Uniklinikum Erlangen vor.“ Prof. Dr. Marcel Betsch ist Leiter der Orthopädie innerhalb der Unfallchirurgischen und Orthopädischen Klinik und spezialisiert auf das Einsetzen von künstlichen Gelenken. Was ihm bei seiner Patientin gleich auffiel: „Frau Koch hatte Schmerzen beim bloßen Gehen.“ In der Bildgebung zeigte sich: Arthrose Grad IV, die höchste Abnutzungsstufe. „Das heißt, hier reibt Knochen auf Knochen, weil kein Knorpel mehr vorhanden ist“, so Prof. Betsch.

Vier-Fragen-Probe

Bevor Marcel Betsch eine Endoprothese in Betracht zieht, fragt er bei seinen Patientinnen und Patienten vier Bereiche ab: Werden Schmerzmittel eingenommen und wenn ja, welche und wie viele? Treten die Beschwerden nicht nur bei Aktivität auf, sondern sogar in Ruhe? Wird der Nachtschlaf durch die Symptome gestört? Und zuletzt: Ist die Lebensqualität durch die Schmerzen stark eingeschränkt? „Wenn die Patientinnen und Patienten alle Fragen mit Ja beantworten, sollten sie über ein künstliches Gelenk nachdenken“, sagt Prof. Betsch. „Grundsätzlich ist es so, dass vorher alle konservativen Methoden wie Physio- und Schmerztherapie ausprobiert werden sollen. Erst, wenn diese an ihre Grenzen kommen, raten wir zu einer Endoprothese.“

Roboter „assistiert“ im OP

Bei Silke Koch wurde die Operation im Sommer 2024 durchgeführt. Unterstützt wurde Marcel Betsch dabei von Mako – einem Robotersystem, das beim Einsetzen von künstlichen Kniegelenken viele Vorteile mit sich bringt. „Roboterassistierte OPs sind zum Beispiel in den Bereichen Urologie und Gynäkologie längst Standard“, hebt Prof. Betsch hervor, „denn die Eingriffe lassen sich mit dem Da-Vinci-System minimalinvasiv durchführen. Das Gleiche gilt auch für unser Mako-System: Mit ihm können wir den Kniegelenkersatz viel sicherer, präziser und gewebeschonender implantieren.“ Mithilfe von Mako und ergänzt durch CT-Aufnahmen des Beins planen die Ärztinnen und Ärzte den Eingriff bereits im Vorfeld digital und dreidimensional. Die Knieprothese lässt sich dank der innovativen Software virtuell so platzieren, dass Größe und Position für die Patientin bzw. den Patienten optimal passen. Im OP werden die CT-Aufnahmen dann durch den Abgleich spezieller Messpunkte mit der Patientenanatomie gematcht – auf den Zehntelmillimeter genau. Mako berücksichtigt dabei nicht nur die Beinachse gradgenau, sondern kalkuliert auch die Spannung und die Stabilität der verschiedenen Bänder in jeder Stellung mit ein.

Dank der Unterstützung von Mako muss der OP-Bereich weniger eröffnet werden und auch die Nervenstrukturen werden besser geschont als bei einer herkömmlichen Operation. Das reduziert insgesamt gesehen die Schmerzen nach einem solchen Eingriff. „Der Roboter hilft der Operateurin oder dem Operateur, indem er automatisch anhält, sobald die vorher gesetzten Grenzen erreicht sind. Das heißt: Unser ‚Assistent‘ stoppt die Säge automatisch, sodass nicht mehr Knochen abgetragen wird als nötig“, erklärt Prof. Betsch. Auch das unbeabsichtigte Durchtrennen von Bändern oder anderen wichtigen Strukturen ist ausgeschlossen. „Mako arbeitet nie allein, jede Aktion wird durch uns gesteuert“, betont Marcel Betsch. „Zusätzlich verhindert das System selbstständig Fehler und macht unsere Eingriffe damit noch sicherer.“

E-Bike und Thermenbesuch

Patientin Silke Koch war offen gegenüber dem Mako-System, das seit August 2023 am Uniklinikum Erlangen eingesetzt wird. „Ich hatte vollstes Vertrauen in Professor Betsch und auch keine Angst vor dem Roboter“, so Silke Koch. „Um halb zwölf war ich am Tag der OP schon wieder in meinem Zimmer. Ich bin gleich selbstständig aufgestanden, um ins Bad zu gehen, und habe bereits mit der Krankengymnastik begonnen.“ Heute, knapp drei Monate nach dem Eingriff, kann Silke Koch schon wieder eineinhalb Stunden am Stück laufen und auch Treppen steigen. „Ich habe mir außerdem ein E-Bike gekauft und freue mich auf den ersten Thermenbesuch, den mein Sohn und ich für die Ferien geplant haben“, sagt Silke Koch. Bis sie ihrer Arbeit als Leiterin einer Mittagsbetreuung für Kinder wieder nachgehen kann, wird es noch etwas dauern: „Dafür müsste ich mindestens drei Stunden am Stück laufen können. Die Kinder sausen ja ständig hin und her – da muss man erst mal nachkommen.“ Bis dahin macht Silke Koch weiter fleißig Physiotherapie, um ihre Oberschenkelmuskulatur zu trainieren. „Durch meine Schonhaltung, die ich mir wegen der Schmerzen angewöhnt hatte, habe ich ganz andere Muskelbereiche benutzt.“ Ihr Knie kann die Patientin aber schon deutlich mehr beugen als vor der Implantation des künstlichen Gelenks. „Unser Ziel ist es, dass unsere Patientinnen und Patienten die Klinik mit einer Kniebeugung von 90 Grad verlassen“, betont Marcel Betsch. „Wir ermutigen sie dazu, schnell wieder fit zu werden. Weil Frau Koch durch ihr recht junges Alter eine gute Grundfitness mitgebracht hat, wird sie sicher schnell weitere Fortschritte machen.“

Oberflächenersatz

Anders als bei Hüftendoprothesen, bei denen das gesamte Hüftgelenk ausgetauscht wird, ersetzt man bei künstlichen Kniegelenken nur die abgenutzten Knorpel- und Knochenschichten durch Prothesenkomponenten. Dabei bleiben die gesunden Anteile des Knochens erhalten. Prof. Betsch vergleicht die Prozedur mit einer Zahnkrone: „Durch das Abtragen von wenigen Millimetern Knorpel und Knochen schaffen wir eine stabile Unterlage, auf die wir am Unter- und am Oberschenkel jeweils eine Art Kappe aus Metall aufsetzen. Dazwischen platzieren wir ein Inlay aus Polyethylen, das ein Gleiten der Metalloberflächen der Prothese ermöglicht.“ Je nach Alter und Aktivitätsniveau hält eine solche Endoprothese mindestens 15 bis 20 Jahre.

Wer braucht eine Endoprothese?

Die meisten Patientinnen und Patienten, die ein künstliches Kniegelenk benötigen, sind mindestens 60 Jahre alt und von Arthrose betroffen. Menschen, die sich im Laufe ihres Lebens Knieverletzungen, z. B. am Meniskus, zugezogen haben oder an X- oder O-Beinen leiden, brauchen oft schon in jüngeren Jahren eine Prothese.

Video: Fit dank künstlichem Kniegelenk

Text und Bilder: Alessa Sailer/Uniklinikum Erlangen; zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“