Im Erlanger Herzkatheterlabor werden Patientinnen und Patienten von einem eingespielten Team versorgt, das immer auf alles vorbereitet ist. Die „Gesundheit-erlangen“-Redaktion war einen Vormittag lang vor Ort.

Ganz gleich, was kommt, wir sind vorbereitet“, sagt Prof. Dr. Stephan Achenbach, Direktor der Medizinischen Klinik 2 – Kardiologie und Angiologie des Uniklinikums Erlangen. 15 Eingriffe stehen heute auf dem Plan seines Herzkatheterlabors. „Dazu können noch fünf Notfälle reinkommen – Herzinfarkte, reanimationspflichtige Patienten – oder aber keiner. Wir sind auf alles eingestellt“, erklärt der Kardiologe routiniert, während er die Wochenübersicht durchblättert.

Fall 1: Stentkontrolle bei einem 78-Jährigen

Prof. Achenbachs erster Patient heute ist ein älterer Mann, der einen schwierigen Eingriff am Herzen hinter sich hat und zwei Tage auf der kardiologischen Intensivstation verbrachte. „Bei ihm war ein Herzkranzgefäß eingerissen. Das haben wir mit einem Stent, also einer kleinen Gefäßstütze, abgedichtet“, erklärt Stephan Achenbach. „Jetzt schauen wir, ob noch alles in Ordnung ist.“ Über die Leiste des 78-Jährigen führt der Kardiologe einen 2 Millimeter dünnen Katheter – einen biegsamen, hohlen Plastikschlauch – in die Oberschenkelarterie ein und schiebt ihn, geführt von einem Draht, zu den Koronargefäßen vor. „Alles okay, Herr Buchner*?“, fragt Prof. Achenbach den grauhaarigen Mann, der dank Beruhigungsmittel leicht dösend vor ihm liegt. „Es wird nicht lange dauern, Sie haben es gleich geschafft.“ Röntgenstrahlen durchleuchten das Herz, und über den Katheter spritzt der Kardiologe ein Kontrastmittel ein. Auf dem großen Monitor vor ihm werden Schwarz auf Grau die Blutgefäße sichtbar. Das Herz schlägt während dieser Koronarangiografie gleichmäßig weiter. Die ehemals eingerissene Herzkranzarterie ist noch immer stabil. „Das sieht gut aus, Herr Buchner. Sie können gleich auf die Normalstation“, erklärt Prof. Achenbach. Nach weniger als zehn Minuten ist die Kontrolle beendet.

Jetzt wartet eine unangenehme Aufgabe auf den Chef: Vier Patientinnen und Patienten sollten heute per Katheter neue Aortenklappen bekommen. Weil aber momentan viel Anästhesiepersonal coronabedingt ausfällt, können zwei der vier terminierten „TAVIs“ (Transcatheter Aortic Valve Implantation) heute nicht stattfinden. „Die schlechte Nachricht muss ich jetzt den Patientinnen überbringen“, sagt Prof. Achenbach mitfühlend und etwas niedergeschlagen. „Sie haben teilweise sechs Monate auf diesen Termin gewartet, sind aufgeregt und wollen es hinter sich bringen.“ Später wird der Klinikdirektor berichten, dass eine der beiden Über-80-Jährigen in Tränen ausbrach, als sie von der Verschiebung erfuhr. Jetzt wartet eine unangenehme Aufgabe auf den Chef: Vier Patientinnen und Patienten sollten heute per Katheter neue Aortenklappen bekommen. Weil aber momentan viel Anästhesiepersonal coronabedingt ausfällt, können zwei der vier terminierten „TAVIs“ (Transcatheter Aortic Valve Implantation) heute nicht stattfinden. „Die schlechte Nachricht muss ich jetzt den Patientinnen überbringen“, sagt Prof. Achenbach mitfühlend und etwas niedergeschlagen. „Sie haben teilweise sechs Monate auf diesen Termin gewartet, sind aufgeregt und wollen es hinter sich bringen.“ Später wird der Klinikdirektor berichten, dass eine der beiden Über-80-Jährigen in Tränen ausbrach, als sie von der Verschiebung erfuhr.

Fall 2: Defibrillator mit 26

Währenddessen nebenan, im zweiten von drei Eingriffsräumen: Einem schwer kranken 26-Jährigen wird ein S-ICD eingesetzt – ein subkutan implantierbarer Kardioverter-Defibrillator. Oberarzt Dr. Lars Anneken erklärt: „Der Patient leidet an einer seltenen Störung der Blutbildung. Dadurch ist er seit seiner Geburt auf Bluttransfusionen angewiesen. Sein Körper ist deshalb übervoll mit Eisen. Leber und Herz sind vergrößert, und er hat Herzrhythmusstörungen. Eines Tages könnten die tödlich sein.“ Der acht Zentimeter große Defibrillator, den Dr. Anneken und Dr. Thomas Weißfloch gleich einsetzen, soll künftig jedes Mal elektrische Impulse abgeben, wenn das Herz aus dem Takt gerät. Die Kardiologen setzen zwei kleine Schnitte: Den Impulsgeber des Defibrillators implantieren sie seitlich in die linke Brust, seine Elektrode parallel zum Brustbein. „Bei diesem Gerät bleiben das Herz und seine Gefäße unberührt. So ist der Patient besser vor Komplikationen und Infektionen geschützt“, erklärt Dr. Anneken.

Uyen Höh, leitende Medizinische Fachangestellte (MFA), und ihre Kolleginnen reichen den Ärzten während des Eingriffs Instrumente wie Skalpell und Schere, überwachen Blutdruck und Sauerstoffsättigung des Patienten und dokumentieren die OP-Schritte. „Der Patient hat von uns Schmerzmittel bekommen, ein Antibiotikum, um das Infektionsrisiko zu senken, lokale Betäubung und das Narkosemittel Propofol“, erklärt Uyen Höh. Nach etwa einer halben Stunde ist der „Defi“ unter der Haut. „Jetzt simulieren wir eine Herzrhythmusstörung“, sagt Lars Anneken, „und prüfen, ob das Gerät tut, was es soll.“ Ein externer Support-Techniker steht am Programmiersystem für den S-ICD. Er gibt das Zeichen: „Achtung, ich induziere Kammerflimmern.“ Doch auch nach mehreren Versuchen lässt sich bei dem jungen Mann keine Rhythmusstörung provozieren. „Dann lösen wir jetzt einen Schock aus“, entscheidet Dr. Anneken. Der Techniker drückt auf den Knopf, setzt das Herz unter Strom. Er meldet: „Die Messwerte sind gut, das Maximum an Energie kommt an.“ Der Defi arbeitet und kann bei Arhythmie oder Herzstillstand den Herzschlag wieder aktivieren oder normalisieren. Nachdem die Schnitte vernäht sind, wird der Patient in den abgedunkelten Aufwachbereich geschoben. In der nächsten Stunde ertönt an seinem Bettplatz mehrmals ein Alarm. Uyen Höh beruhigt: „77 zu 45 – der Blutdruck ist niedrig, aber für ihn noch akzeptabel“, sagt sie, während sie die Elektroden auf der Brust des 26-Jährigen überprüft. Er hat den Kopf zur Seite gedreht und schläft. Nun ist es wieder ruhig um ihn herum.

Fall 3: „Wie die Feder eines Kugelschreibers“

„Sie sind ja aus der Werbebranche, Herr Werner*“, richtet sich Prof. Achenbach an den Mann vor ihm auf dem Behandlungstisch. „Wir haben heute auch ein Kommunikationsteam da, das eine Reportage macht. Ist das okay für Sie?“ Der weißhaarige Mann Anfang 70 antwortet: „Ja, ist in Ordnung.“ Stephan Achenbach bereitet eine Stentimplantation vor, so wie er das pro Jahr etwa 400- bis 500-mal tut. Insgesamt führt sein Team ca. 1.500 solcher Eingriffe jährlich durch. Der Herzspezialist hält den Stent in die Höhe – das winzig kleine metallene Gittergerüst, das verengte Blutgefäße stützen und offenhalten kann. Es ist aufgefädelt auf einen feinen Ballon, den der Herzmediziner gleich unmittelbar in der Engstelle aufblasen wird, um den Stent zu entfalten. „Entfaltet können Sie sich die Gefäßstütze vorstellen wie die Feder eines Kugelschreibers“, veranschaulicht es der Kardiologe. Wenig später hält er eine Spritze mit der Aufschrift „Nitro“ in der Hand. „Nitroglycerin – das ist exakt dasselbe wie in Dynamit!“ Sprengstoff im Herzen also – nur dass die chemische Verbindung hier nicht zu Explosionen führt. Stattdessen wandelt sie der Körper in Stickstoffmonoxid um, das die Gefäße weitet und den Blutdruck senkt. „Gehts, Herr Werner?“ Der Patient bejaht. Drei Studierende betreten den Raum, um vom Klinikdirektor zu lernen. „Gehen Sie über die Arteria femoralis oder radialis?“, fragt eine Studentin. „Radialis“, entgegnet Stephan Achenbach. Er favorisiere das Handgelenk als Zugang, wenn es irgendwie möglich ist. In der verengten Kranzarterie angekommen, dehnt Prof. Achenbach Ballon und Stent auf. Immer deutlicher wird die Gitterstruktur des Metalls im Röntgenbild erkennbar. Werbefachmann Werner hat jetzt insgesamt drei Gefäßstützen in der Brust, die offenhalten, was von allein nicht mehr offenbleibt. So dringen sauerstoffreiches Blut und Nährstoffe auch weiterhin gut zu seinem Herzmuskel durch.

Stephan Achenbach lässt die nächste Patientin ins Katheterlabor einbestellen, die er zusammen mit Oberärztin Dr. Monique Tröbs behandeln wird. „Das kann jetzt ein bisschen komplizierter werden“, sagt er ruhig. Aber er hat sein Team, und sein Team hat ihn. „Alle vertrauen sich blind.“ Dass Monique Tröbs als Oberärztin in seinem Herzkatheterlabor arbeitet, darauf ist Prof. Achenbach stolz: „Es gibt leider immer noch zu wenige Frauen in der Interventionellen Kardiologie. Nacht- und Rufdienste sind schwierig, wenn man Kinder hat.“ Monique Tröbs erläutert die Vorteile der Erlanger Kardiologie: „Hier kann ich Teilzeit arbeiten und pünktlich gehen, um meine Tochter aus dem Kindergarten abzuholen. Es gibt keine ‚Ellenbogen‘-Mentalität. Ich glaube, auch allgemein bessert sich die Situation für Frauen in der Medizin“, sagt sie noch, bevor sie wieder im Eingriffsraum verschwindet und dort mit ihrem Chef die folgende Prozedur bespricht.

Über zehn Herzpatientinnen und -patienten werden heute noch planmäßig versorgt – zusätzlich vielleicht einige Herzinfarkte oder andere Notfälle. Und während sich das „Gesundheit-erlangen“- Team gegen Mittag langsam verabschiedet, bleibt die Chest Pain Unit („Brustschmerzeinheit“) der Medizin 2, zu der auch das Herzkatheterlabor gehört, weiter im Dienst. „Wir sind rund um die Uhr einsatzbereit“, betont Prof. Achenbach. „Und es gibt wohl keinen sichereren Ort als das Herzkatheterlabor.“

*Alle Namen von Patientinnen und Patienten von der Redaktion geändert

Text: Franziska Männel/Uniklinikum Erlangen; zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“, Herbst 2022