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Volles Korn voraus!

Ernährungtrends kommen und gehen. Laut den Ernährungsexpertinnen und -experten des Uni-Klinikums Erlangen gibt es aber einige Basics, die für eine gesunde Ernährung essenziell sind.

Ernährung geht uns alle an. Doch Essen ist längst mehr als nur reine Nahrungsaufnahme: Was wir essen, ist heute stark mit den eigenen Werten und dem persönlichen Lebensstil verbunden. In einer Sache sind sich die meisten einig: 91 Prozent der Befragten des Ernährungsreports 2021 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft legen Wert darauf, dass Nahrungsmittel gesund sind; den Über-45-Jährigen ist  das sogar noch wichtiger als Jüngeren. Aber was heißt gesund?

Ich möchte mich dafür einsetzen, dass Menschen regionale und nachhaltig hergestellte Produkte kaufen.

Prof. Dr. Yurdagül Zopf

Vollwertig

Entsprechend den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gilt es, abwechslungsreich zu essen und sich idealerweise mit pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln zu versorgen. Auch wichtig: ca. 1,5 Liter Flüssigkeit täglich - am besten Wasser oder ungesüßter Tee - und Ballaststoffe.
 
„Bevorzugen Sie eine pflanzenbasierte Ernährung und Vollkornprodukte", rät Ernährungsmedizinerin Prof. Dr. Yurdagül Zopf, Leiterin des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport des Uni-Klinikums Erlangen. „Aber achten Sie dabei unbedingt auf Abwechslung. Sich ballaststoffreich zu ernähren, bedeutet nicht, immer nur Brot und  Brötchen zu essen. Für eine gesunde Vielfalt an Ballaststoffen sorgen vor allem Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte." Wer seine Ernährung ballaststoffreicher gestaltet, sollte das schrittweise tun, denn der Darm muss sich erst an die unverdaulichen Stoffe gewöhnen. Wird die Menge an pflanzlichen Faserstoffen zu schnell erhöht, kann das zu Völlegefühl und Blähungen führen.

Auch beim Backen lässt sich die Ballaststoffzufuhr schrittweise erhöhen. Yurdagül Zopf erklärt: „Wenn das Kind unbedingt Pancakes will, muss ich die nicht nur mit Weißmehl vom Typ 405 machen, sondern kann das mit dem Typ 1050 kombinieren. So sättigen die Pancakes auch mehr." Faustregel: Je größer die Typenzahl des Mehls, desto mineral- und ballaststoffreicher das Produkt. „Das ist also eine gute Möglichkeit, den Ballaststoffanteil schmackhaft anzuheben", findet die Ernährungsmedizinerin.

Zuckerarm

Gezuckerten Lebensmitteln und reinen Weißmehlprodukten fehlen oft die gesun- den Ballaststoffe. Prof. Zopf appelliert: „Schon nach einigen Tagen kann Zucker die Vielfalt günstiger Darmbakterien verringern und sich damit auch auf die Immunabwehr auswirken. Er sollte deshalb möglichst nur in geringen Mengen verzehrt werden." Nicht nur Kuchen, Kekse und Softdrinks, auch Fertiggerichte, Dressings und Soßen enthalten oft viel Zucker.

Nachhaltig

Wenn es um eine gesunde Ernährung geht, plädiert Yurdagül Zopf grundsätzlich für einen ganzheitlichen Ansatz: „Ich möchte mich dafür einsetzen, dass die Menschen regionale und nachhaltig hergestellte Produkte kaufen.“

„Unserer Gesundheit und unseren Kindern zuliebe, denen wir einen intakten Planeten hinterlassen wollen." Das Fazit von Yurdagül Zopf: Leinsaat statt Chiasamen, hin und wieder ein kleines, aber gutes Stück Biofleisch statt solches aus konventioneller Massentierhaltung, saisonales Obst und Gemüse aus dem Umland statt Avocados, die viel Wasser brauchen und um die ganze Welt transportiert werden. „Wir täten alle gut daran, uns die Folgen unseres Konsums stärker vor Augen zu führen", mahnt die Ernährungsexpertin. Auch die EAT-Lancet-Kommission, der u. a. Klimaforscherinnen und Ernährungswissenschaftler aus 16 Ländern angehören, empfiehlt, die weltweite Ernährung umweltfreundlicher und damit gesünder für Mensch und Erde zu gestalten.

Richtig gelernt

Das Fundament für eine gesunde Ernährung legen Bildung und Erziehung. „Eltern leben vor, wie gute oder eben ungesunde Ernährung geht", sagt Prof. Zopf. Steht zu Hause ein Obstkorb, aus dem sich ein Kind bedienen kann, oder darf es dreimal am Tag zum Naschschrank gehen? Bekommt es ständig Apfelschorle, oder ist es daran gewöhnt, Wasser zu trinken? „Eltern sollten wissen: Persönliche Geschmacksvorlieben und das Ernährungsverhalten werden in der Kindheit geformt und können später nur noch müh- sam geändert werden", erklärt Prof. Zopf.

Gemeinsam

In diesem Zusammenhang profitieren Kinder und Jugendliche sehr von gemeinsamen Familienmahlzeiten. Studien zeigen: Je häufiger sie zusammen mit der Familie essen, desto seltener greifen Heranwachsende zu Süßigkeiten. Der Effekt tritt selbst dann auf, wenn nur ein Elternteil mit am Tisch sitzt. Wichtig: Fernseher aus, Handy weg, sich Zeit nehmen und für eine gute Stimmung sorgen. Im besten Fall fassen vorher alle beim Kochen, Zubereiten und Tischdecken mit an.

Bei Übergewicht und Adipositas, Nahrungs- mittelunverträglichkeiten, Verdauungspro- blemen, aber auch bei Krebs und chronischem Darmversagen helfen Yurdagül Zopf und die Ernährungsfachkräfte des Hector-Centers gern weiter. Werden genug lebensnotwendige Nährstoffe aufgenommen? Passt der Vitaminhaushalt? Über wie viel Fett und wie viel Muskelmasse verfügt der Körper? Wie können das Ernährungsverhalten optimiert und der Darm stabilisiert werden? „Wir haben viele Patientinnen und Patienten, die von weit her kommen und für die wir die letzte Anlaufstelle sind“, sagt Yurdagül Zopf.

Volles Korn voraus!

Vollkorn heißt: Es wird das ganze Korn (Mehlkörper, Kleie, Keim) verwendet und z. B. zu Mehl oder Frühstücksflocken verarbeitet. Ein paar Körner auf einem dunklen Brötchen machen noch kein Vollkornprodukt!

Farbenfroh

Prof. Dr. Yurdagül Zopf mag es bunt: ,,Etwas Farbenfrohes macht uns gleich viel mehr Lust, gesund zu essen", sagt sie.

Was essen Sie, Frau Prof. Zopf?

  • Morgens: ein Glas Wasser, Joghurt mit Obst und etwas Haferflocken oder eine Scheibe Vollkornbrot mit Honig oder Marmelade, dazu eine Tasse Kaffee mit etwas Milch
  • Mittags: meist ein Salat, als Nachtisch Obst oder eine Buttermilchspeise
  • Abends: ein vegetarisches oder ein Fischgericht, z. B. mit Vollkornnudeln, immer mit hohem Gemüseanteil, einmal pro Woche ein kleines Stück Biofleisch (Lamm, Rind, Hühnchen)
  • Zwischenmahlzeiten: Ayran, Kefir oder Buttermilch

Yurdagül Zopf vermeidet Fertiggerichte und verarbeitete Wurstwaren. Süßigkeiten isst sie nur in Maßen.

Ernährung als Medizin

  • Eine salzarme Ernährung senkt den Blutdruck und schützt Risikogruppen vor Schlaganfällen.
  • Wasser, ungesüßter Tee und Nahrungsmittel ohne zugesetzten Zucker beugen Übergewicht, Diabetes und Karies vor. Fertiggerichte, Limonaden, gesüßter Fruchtsaft und Fast Food sind oft sehr zuckerhaltig und damit ungesund.
  • Die Mittelmeerküche mit viel Gemüse und Obst, Hülsenfrüchten, Fisch und hochwertigen Ölen senkt Entzündungswerte, verbessert die kognitive Leistung und mindert u. a. Rheumabeschwerden.
  • Proteine sind u. a. essenziell für gesunde Körperzellen und Muskeln. Zum Beispiel für Ältere oder Menschen mit Krebs ist eine erhöhte Eiweißzufuhr wichtig, um einem Muskelabbau entgegenzuwirken.
  • Ballaststoffe sättigen, unterstützen die Darmtätigkeit, reduzieren entzündliche Prozesse und schützen so u. a. vor Darmkrebs und Herzinfarkt.

Ernährungsberatung des Hector-Centers für Ernährung, Bewegung und Sport

Text und Bilder: Franziska Männel. Zuerst erschienen in: Magazin „Gesundheit erlangen“, Winter 2021/22